§ 13. Rationalität der Geldwirtschaft


§ 13. Die formale »Rationalität« der Geldrechnung ist also an sehr spezifische materiale Bedingungen geknüpft, welche hier soziologisch interessieren, vor allem:

1. den Marktkampf (mindestens: relativ) autonomer Wirtschaften. Geldpreise sind Kampf- und Kompromißprodukte, also Erzeugnisse von Machtkonstellationen. »Geld« ist keine harmlose »Anweisung auf unbestimmte Nutzleistungen«, welche man ohne grundsätzliche Ausschaltung des durch Kampf von Menschen mit Menschen geprägten Charakters der Preise beliebig umgestalten könnte, sondern primär: Kampfmittel und Kampfpreis, Rechnungsmittel aber nur in der Form des quantitativen Schätzungsausdrucks von Interessenkampfchancen.

2. Das Höchstmaß von Rationalität als rechnerisches Orientierungsmittel des Wirtschaftens erlangt die Geldrechnung in der Form der Kapitalrechnung, und dann unter der materialen Voraussetzung weitestgehender Marktfreiheit im Sinn der Abwesenheit sowohl oktroyierter und ökonomisch irrationaler wie voluntaristischer und ökonomisch rationaler (d.h. an Marktchancen orientierter) Monopole. Der mit diesem Zustand verknüpfte Konkurrenzkampf um Abnahme der Produkte erzeugt, insbesondre als Absatzorganisation und Reklame (im weitesten Sinn), eine Fülle von Aufwendungen, welche ohne jene Konkurrenz (also bei Planwirtschaft oder rationalen Vollmonopolen) fortfallen. Strenge Kapitalrechnung ist ferner sozial an »Betriebsdisziplin« und Appropriation der sachlichen Beschaffungsmittel, also: an den Bestand eines Herrschaftsverhältnisses, gebunden.

3. Nicht »Begehr« an sich, sondern: kaufkräftiger Begehr nach Nutzleistungen regelt durch Vermittlung der Kapitalrechnung material die erwerbsmäßige Güterbeschaffung. Es ist also die Grenznutzen-Konstellation bei der letzten jeweils nach der Art der Besitzverteilung noch für eine bestimmte Nutzleistung typisch kaufkräftigen und kaufgeneigten Einkommensschicht maßgebend für die Richtung der Güterbeschaffung. In Verbindung mit der – im Fall voller Marktfreiheit – absoluten Indifferenz gerade der formal vollkommensten Rationalität der Kapitalrechnung gegen alle, wie immer gearteten, materialen Postulate begründen diese im Wesen der Geldrechnung liegenden Umstände die prinzipielle Schranke ihrer Rationalität. Diese ist eben rein formalen Charakters. Formale und materiale (gleichviel an welchem Wertmaßstab orientierte) Rationalität fallen unter allen Umständen prinzipiell auseinander, mögen sie auch in noch so zahlreichen (der theoretischen, unter allerdings völlig irrealen Voraussetzungen zu konstruierenden, Möglichkeit nach selbst: in allen) Einzelfällen empirisch zusammentreffen. Denn die formale Rationalität der Geldrechnung sagt an sich nichts aus über die Art der materialen Verteilung der Naturalgüter. Diese bedarf stets der besonderen Erörterung. Vom Standpunkt der Beschaffung eines gewissen materiellen Versorgungs-Minimums einer Maximal-Zahl von Menschen als Rationalitätsmaßstab treffen allerdings, nach der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, formale und materiale Rationalität in relativ hohem Maße zusammen, aus Gründen, die in der Art der Antriebe liegen, welche die der Geldrechnung allein adäquate Art des wirtschaftlich orientierten sozialen Handelns in Bewegung setzt. Aber unter allen Umständen gilt: daß die formale Rationalität erst in Verbindung mit der Art der Einkommensverteilung etwas über die Art der materiellen Versorgung besagt.


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