§ 1. Wirtschaften. Begriff und Technik

 

§ 1. »Wirtschaftlich orientiert« soll ein Handeln insoweit heißen, als es seinem gemeinten Sinne nach an der Fürsorge für einen Begehr nach Nutzleistungen orientiert ist. »Wirtschaften« soll eine friedliche Ausübung von Verfügungsgewalt heißen, welche primär, »rationales Wirtschaften« eine solche, welche zweckrational, also planvoll, wirtschaftlich orientiert ist. »Wirtschaft« soll ein autokephal, »Wirtschaftsbetrieb« ein betriebsmäßig geordnetes kontinuierliches Wirtschaften heißen.

 

1. Es wurde schon oben (Kap. I, § 1, II, zu 2 S. 11) hervorgehoben, daß Wirtschaften an sich nicht schon soziales Handeln sein muß.

2. Die Definition des Wirtschaftens hat möglichst allgemein zu sein und hat zum Ausdruck zu bringen, daß alle »wirtschaftlichen« Vorgänge und Objekte ihr Gepräge als solche gänzlich durch den Sinn erhalten, welchen menschliches Handeln ihnen – als Zweck, Mittel, Hemmung, Nebenerfolg – gibt. – Nur darf man das doch nicht so ausdrücken, wie es gelegentlich geschieht: Wirtschaften sei eine »psychische« Erscheinung. Es fällt ja der Güterproduktion oder dem Preis oder selbst der »subjektiven Bewertung« von Gütern – wenn anders sie reale Vorgänge sind – gar nicht ein, »psychisch« zu bleiben. Gemeint ist mit diesem mißverständlichen Ausdruck aber etwas Richtiges: sie haben einen besondersartigen gemeinten Sinn: dieser allein konstituiert die Einheit der betreffenden Vorgänge und macht sie allein verständlich. – Die Definition des »Wirtschaftens« muß ferner so gestaltet werden, daß sie die moderne Erwerbswirtschaft mit umfaßt, darf also ihrerseits zunächst nicht von »Konsum-Bedürfnissen« und deren »Befriedigung« ausgehen, sondern einerseits von der – auch für das nackte Geldgewinnstreben zutreffenden – Tatsache: daß Nutzleistungen begehrt werden, andrerseits von der – auch für die reine, schon die ganz primitive, Bedarfsdeckungswirtschaft zutreffenden – Tatsache: daß für diesen Begehr eben durch eine (und sei es noch so primitive und traditional eingelebte) Fürsorge Deckung zu sichern versucht wird.

3. »Wirtschaftlich orientiertes Handeln« im Gegensatz zu »Wirtschaften« soll jedes Handeln heißen, welches a) primär an andern Zwecken orientiert ist, aber auf den »wirtschaftlichen Sachverhalt« (die subjektiv erkannte Notwendigkeit der wirtschaftlichen Vorsorge) in seinem Ablauf Rücksicht nimmt, oder welches b) primär daran orientiert ist, aber aktuelle Gewaltsamkeit als Mittel verwendet. Also: alles nicht primär oder nicht friedlich sich wirtschaftlich orientierende Handeln, welches durch jenen Sachverhalt mitbestimmt ist. »Wirtschaften« soll also die subjektive und primäre wirtschaftliche Orientierung heißen. (Subjektiv: denn auf den Glauben an die Notwendigkeit der Vorsorge, nicht auf die objektive Notwendigkeit, kommt es an.) Auf den »subjektiven« Charakter des Begriffs: darauf, daß der gemeinte Sinn des Handelns dies zum Wirtschaften stempelt, legt R. Liefmann mit Recht Gewicht, nimmt aber meines Erachtens zu Unrecht bei allen anderen [Autoren] das Gegenteil an.

4. Wirtschaftlich orientiert kann jede Art von Handeln, auch gewaltsames (z.B. kriegerisches) Handeln sein (Raubkriege, Handelskriege). Dagegen hat namentlich Franz Oppenheimer mit Recht das »ökonomische« Mittel dem »politischen« gegenübergestellt. In der Tat ist es zweckmäßig, das letztere gegenüber der »Wirtschaft« zu scheiden. Das Pragma der Gewaltsamkeit ist dem Geist der Wirtschaft – im üblichen Wortsinn – sehr stark entgegengesetzt. Die unmittelbare aktuelle gewaltsame Fortnahme von Gütern und die unmittelbar aktuelle Erzwingung eines fremden Verhaltens durch Kampf soll also nicht Wirtschaften heißen. Selbstverständlich ist aber der Tausch nicht das, sondern nur ein ökonomisches Mittel, wennschon eins der wichtigsten. Und selbstverständlich ist die wirtschaftlich orientierte, formal friedliche Vorsorge für die Mittel und Erfolge beabsichtigter Gewaltsamkeiten (Rüstung, Kriegswirtschaft) genau ebenso »Wirtschaft« wie jedes andere Handeln dieser Art.

Jede rationale »Politik« bedient sich wirtschaftlicher Orientierung in den Mitteln und jede Politik kann im Dienst wirtschaftlicher Ziele stehen.

Ebenso bedarf zwar theoretisch nicht jede Wirtschaft, wohl aber unsere moderne Wirtschaft unter unsern modernen Bedingungen der Garantie der Verfügungsgewalt durch Rechtszwang des Staates. Also: durch Androhung eventueller Gewaltsamkeit für die Erhaltung und Durchführung der Garantie formell »rechtmäßiger« Verfügungsgewalten. Aber die derart gewaltsam geschützte Wirtschaft selbst ist nicht: Gewaltsamkeit.

Wie verkehrt es freilich ist, gerade für die (wie immer definierte) Wirtschaft in Anspruch zu nehmen, daß sie begrifflich nur »Mittel« sei – im Gegensatz z.B. zum »Staat« usw. –, erhellt schon daraus, daß man gerade den Staat nur durch Angeben des von ihm heute monopolistisch verwendeten Mittels (Gewaltsamkeit) definieren kann. Wenn irgend etwas, dann bedeutet, praktisch angesehen, Wirtschaft vorsorgliche Wahl grade zwischen Zwecken, allerdings: orientiert an der Knappheit der Mittel, welche für diese mehreren Zwecke verfügbar oder beschaffbar erscheinen.

 


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