§ 25. Bedingungen rechnungsmäßiger Leistung: Angepaßtheit, Arbeitsübung, Arbeitneigung usw.


§ 25. I. Zur Erreichung von rechnungsmäßigen Leistungsoptima der ausführenden Arbeit (im allgemeinsten Sinn) gehört außerhalb des Gebiets der drei typisch kommunistischen Verbände, bei welchen außerökonomische Motive mitspielen:

1. Optimum der Angepaßtheit an die Leistung,

2. Optimum der Arbeitsübung,

3. Optimum der Arbeitsneigung.

Zu 1. Angepaßtheit (gleichviel inwieweit durch Erbgut oder Erziehungs- und Umweltseinflüsse bedingt) kann nur durch Probe festgestellt werden. Sie ist in der Verkehrswirtschaft bei Erwerbsbetrieben in Form der »Anlerne«-Probe üblich. Rational will sie das Taylor-System durchführen.

Zu 2. Arbeitsübung ist im Optimum nur durch rationale und kontinuierliche Spezialisierung erreichbar. Sie ist heute nur wesentlich empirisch, unter Kostenersparnis- Gesichtspunkten (im Rentabilitätsinteresse und durch dieses begrenzt) vorgenommene Leistungsspezialisierung. Rationale (physiologische) Spezialisierung liegt in den Anfängen (Taylor-System).

Zu 3. Die Bereitwilligkeit zur Arbeit kann ganz ebenso orientiert sein wie jedes andere Handeln (s. Kap. I, § 2). Arbeitswilligkeit (im spezifischen Sinn der Ausführung von eigenen Dispositionen oder von solchen anderer Leitender) ist aber stets entweder durch starkes eigenes Interesse am Erfolg oder durch unmittelbaren oder mittelbaren Zwang bedingt gewesen; in besonders hohem Maß Arbeit im Sinn der Ausführung der Disposition anderer. Der Zwang kann bestehen entweder

1. in unmittelbarer Androhung von physischer Gewaltsamkeit oder anderen Nachteilen, oder

2. in der Chance der Erwerbslosigkeit im Falle ungenügender Leistung.

Da die zweite Form, welche der Verkehrswirtschaft wesentlich ist, ungleich stärker an das Eigeninteresse sich wendet und die Freiheit der Auslese nach der Leistung (in Maß und Art) erzwingt (natürlich: unter Rentabilitätsgesichtspunkten), wirkt sie formal rationaler (im Sinn des technischen Optimums) als jeder unmittelbare Arbeitszwang. Vorbedingung ist die Expropriation der Arbeiter von den Beschaffungsmitteln und ihre Verweisung auf Bewerbung um Arbeitslohnverdienstchancen, also: gewaltsamer Schutz der Appropriation der Beschaffungsmittel an Besitzer. Gegenüber dem unmittelbaren Arbeitszwang ist damit außer der Sorge für die Reproduktion (Familie) auch ein Teil der Sorge um die Auslese (nach der Art der Eignung) auf die Arbeitsuchenden selbst abgewälzt. Außerdem ist der Kapitalbedarf und das Kapitalrisiko gegenüber der Verwertung unfreier Arbeit beschränkt und kalkulierbar gemacht, endlich – durch massenhaften Geldlohn – der Markt für Massengüter verbreitert. Die positive Arbeitsneigung ist nicht dergestalt obstruiert, wie – unter sonst gleichen Verhältnissen – bei unfreier Arbeit, freilich besonders bei weitgehender technischer Spezialisierung auf einfache (taylorisierte) monotone Verrichtungen auf die rein materiellen Lohnchancen beschränkt. Diese enthalten nur bei Lohn nach der Leistung (Akkordlohn) einen Anreiz zu deren Erhöhung. – Akkordlohnchancen und Kündigungsgefahr bedingen in der kapitalistischen Erwerbsordnung primär die Arbeitswilligkeit.

Unter der Bedingung der freien, von den Beschaffungsmitteln getrennten, Arbeit gilt im übrigen folgendes:

1. Die Chancen affektueller Arbeitswilligkeit sind – unter sonst gleichen Umständen – bei Leistungsspezifikation größer als bei Leistungsspezialisierung, weil der individuelle Leistungserfolg dem Arbeitenden sichtbarer vor Augen liegt. Demnächst, naturgemäß, bei allen Qualitätsleistungen.

2. Traditionale Arbeitswilligkeit, wie sie namentlich innerhalb der Landwirtschaft und der Hausindustrie (unter allgemein traditionalen Lebensbedingungen) typisch ist, hat die Eigenart: daß die Arbeiter ihre Leistung entweder: an nach Maß und Art stereotypen Arbeitsergebnissen, oder aber: am traditionalen Arbeitslohn orientieren (oder: beides), daher schwer rational verwertbar und in ihrer Leistung durch Leistungsprämien (Akkordlohn) nicht zu steigern sind. Dagegen können traditional patriarchale Beziehungen zum Herrn (Besitzer) die affektuelle Arbeitswilligkeit erfahrungsgemäß hoch halten.

3. Wertrationale Arbeitswilligkeit ist in typischer Art entweder religiös bedingt, oder durch spezifisch hohe soziale Wertung der betreffenden spezifischen Arbeit als solcher. Alle anderen Anlässe dazu sind, nach aller Erfahrung, Übergangserscheinungen.

Selbstverständlich enthält die »altruistische« Fürsorge für die eigene Familie eine typische Pflichtkomponente der Arbeitswilligkeit. –

II. Die Appropriation von Beschaffungsmitteln und die (sei es noch so formale) Eigenverfügung über den Arbeitshergang bedeutet eine der stärksten Quellen schrankenloser Arbeitsneigung. Dies ist der letzte Grund der außerordentlichen Bedeutung des Kleinund zwar insbesondere: des Parzellenbetriebs in der Landwirtschaft, sowohl als Kleineigentümer, wie als Kleinpächter (mit der Hoffnung künftigen. Aufstiegs zum Bodeneigentümer). Das klassische Land dafür ist: China; auf dem Boden des fachgelernten leistungsspezifizierten Gewerbes vor allem: Indien; demnächst alle asiatischen Gebiete, aber auch das Mittelalter des Okzidents, dessen wesentliche Kämpfe um die (formale) Eigenverfügung geführt worden sind. Das sehr starke Arbeits-Mehr, welches der (stets, auch als Gärtner: leistungsspezifizierte, nicht: -spezialisierte) Kleinbauer in den Betrieb steckt, und die Einschränkung der Lebenshaltung, die er sich im Interesse der Behauptung seiner formalen Selbständigkeit auferlegt, verbunden mit der in der Landwirtschaft möglichen haushaltsmäßigen Ausnutzung von erwerbsmäßig, also im Großbetrieb, nicht verwertbaren Nebenerzeugnissen und »Abfällen« aller Art, ermöglicht seine Existenz gerade wegen des Fehlens der Kapitalrechnung und der Beibehaltung der Einheit von Haushalt und Betrieb. Der Kapitalrechnungsbetrieb in der Landwirtschaft ist – im Fall des Eigentümerbetriebs – nach allen Ermittlungen (s. meine Rechnungen in den Verh. des XXIV. Dt. Juristentags) ungleich konjunkturempfindlicher als der Kleinbetrieb.

Auf dem Gebiet des Gewerbes bestand die entsprechende Erscheinung bis in die Zeit mechanisierter und streng spezialisierter arbeitsverbindender Betriebe.

Betriebe, wie die des »Jack of Newbury« konnte man noch im 16. Jahrhundert einfach, ohne Katastrophe für die Erwerbschancen der Arbeiter, verbieten (wie es in England geschah). Denn die Zusammenziehung von, dem Besitzer appropriierten, Webstühlen nebst ihren Arbeitern in einer Werkstatt ohne wesentliche Steigerung der Spezialisierung und Verbindung der Arbeit bedeutete unter den gegebenen Marktverhältnissen keineswegs eine derartige Steigerung der Chancen für den Unternehmer, daß das immerhin größere Risiko und die Werkstattkosten dadurch mit Sicherheit gedeckt worden wären. Vor allem aber ist im Gewerbe ein Betrieb mit hohem Kapital von Anlagen (»stehendem« K.) nicht nur, wie auch in der Landwirtschaft, konjunkturempfindlich, sondern im Höchstmaß empfindlich gegen jede Irrationalität (Unberechenbarkeit) der Verwaltung und Rechtspflege, wie sie, außerhalb des modernen Okzidentes, überall bestand. Die dezentralisierte Heimarbeit hat hier, wie in Konkurrenz mit den russischen »Fabriken« und überall sonst, das Feld behaupten können, bis – noch vor Einfügung der mechanisierten Kraftquellen und Werkzeugmaschinen – das Bedürfnis nach genauer Kostenkalkulation und Standardisierung der Produkte zum Zweck der Ausnutzung der verbreiterten Marktchancen, in Verbindung mit technisch rationalen Apparaten, zur Schaffung von Betrieben mit (Wasser- oder Pferdegöpel und) innerer Spezialisierung führte, in welche dann die mechanischen Motoren und Maschinen eingefügt wurden. Alle vorher, in der ganzen Welt, gelegentlich entstandenen großen Werkstattbetriebe konnten ohne jede nennenswerte Störung der Erwerbschancen aller Beteiligten und ohne, daß die Bedarfsdeckung ernstlich gefährdet worden wäre, wieder verschwinden. Erst mit der »Fabrik« wurde dies anders. Die Arbeitswilligkeit der Fabrikarbeiter aber war primär durch einen mit Abwälzung des Versorgungsrisikos auf sie kombinierten sehr starken indirekten Zwang (englisches Arbeitshaussystem!) bedingt und ist dauernd an der Zwangsgarantie der Eigentumsordnung orientiert geblieben, wie der Verfall dieser Arbeitswilligkeit in der Gegenwart im Gefolge des Zerbrechens der Zwangsgewalt in der Revolution zeigte.


 © textlog.de 2004 • 08.12.2024 17:16:42 •
Seite zuletzt aktualisiert: 27.09.2004 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright