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Seele

Seele. Durch den „inneren Sinn“ (s. d.) erkennen wir unser eigenes Ich (s. d.) in der Form der Zeit, daher nur als Erscheinung. Was die Seele an sich ist, läßt sich nicht erkennen. Möglich, daß das Ding an sich der Seele gleichartig ist dem der Körper (s. Identitätstheorie), wenn auch die psychischen Erscheinungen von den physischen als solche verschieden sind, so daß der Materialismus (s. d.) nicht haltbar ist. Die Einheit und Identität des reinen Ich, des transzendentalen Subjekts, darf nicht mit einer einfachen Substanz verwechselt werden, als welche sich die Seele nicht bestimmen läßt, da dies ein — im Psychischen nicht vorhandenes — Beharrliches der Anschauung erfordern würde Immaterielle Geister sind kein Gegenstand der Erkenntnis, zu ihrer Annahme ist keine Grundlage in der Erfahrung gegeben. Doch ist das übersinnliche Wesen des Menschen (der vernünftigen Wesen) als zeitloses „Noumenon“ (s. d.), als Glied einer „intelligiblen Welt“ (s. d.) zu denken.

Da in der inneren Anschauung alles Beharrliche fehlt, welches zur Anwendung der Kategorie der Substanz (s. d.) erforderlich ist, so läßt sich die Seele nicht als Substanz auffassen, wenn auch das Ich (s. d.) (logisches) Subjekt des Denkens ist. Nur durch Fehlschlüsse, Paralogismen (s. d.) macht man aus der rein logischen Einheit und Identität (s. d.) des Ich eine gesonderte, einfache, unzerstörbare, numerisch identische Seelensubstanz, KrV tr. Dial. 2. B. 1. H. (I 349 ff.—Rc 418 ff.). Die Einheit des Subjekts (des Selbstbewußtseins, der Apperzeption) wäre ganz wohl — rein hypothetisch — mit der Zusammensetzung der Seele aus einer Mehrheit von Teilseelen, welche in eine Seele „zusammenfließen“, vereinbar, ibid. Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises... 2. Anm. (I 361—Rc 448 ff.). Die psychologische „Idee“ (s. d.) ist „regulativ“, sie läßt uns „alle Erscheinungen, Handlungen und Empfänglichkeit unseres Gemüts an dem Leitfaden der inneren Erfahrung so verknüpfen, als ob dasselbe eine einfache Substanz wäre, die mit persönlicher Identität, beharrlich (wenigstens im Leben) existiert, indessen daß ihre Zustände, zu welchen die des Körpers nur als äußere Bedingungen gehören, kontinuierlich wechseln“, ibid. tr. Dial. Anh. Von d. Endabsicht (I 569—Rc714); vgl. die Warnung vor dem Gebrauch der Idee „Seele“ als konstitutives Prinzip, ibid. (I 581 f.—Rc 728). — Das Ich (s. d.) als ein denkendes Wesen ist das „absolute Subjekt“ der von ihm gefällten Urteile, insofern „Substanz in der Idee“. Dieses logische Subjekt verwechselt der erste der Paralogismen (s. d.) der rationalen Psychologie (s. d.) mit einer realen, beharrenden Substanz. Da die innere Erfahrung keine Beharrlichkeit in der Anschauung aufweist, so kann der Begriff einer solchen Substanz hier gar nichts nützen. Man kann den Satz: „die Seele ist Substanz“, gelten lassen, aber nur, wenn man sich bescheidet daß uns dieser Begriff „nicht im mindesten weiter führe“ und uns die absolute Dauer der Seele nicht lehren kann, KrV 1. A. tr. Dial. 2. B. 1. H. 1. Paralog. (I 729 ff.—Rc 424 ff.). Der zweite Paralogismus verwechselt die formale Einfachheit (s. d.) des reinen Ich (der Apperzeption) mit der Einfachheit einer realen Seelensubstanz. Durch das Ich erkenne ich zwar eine absolute, aber nur „logische“ Einheit des Subjekts, nicht die „wirkliche, Einfachheit des an sich unerkennbaren Subjekts (der Seele), von dem ich auch nicht wissen kann, ob es von dem Ding an sich der Materie (s. d.) eigenschaftlich absolut unterschieden ist (vgl. Identitätslehre). Die Hypothese ist möglich, daß “eben dasselbe, was als äußere Erscheinung ausgedehnt ist, innerlich (an sich selbst) ein Subjekt sei, was nicht zusammengesetzt, sondern einfach ist und denkt„, ibid. 2. Paralog. (I 731 ff.— Rc 428 ff.). Jedenfalls ist die Seele nicht körperlich, d. h. sie ist als Gegenstand des inneren Sinnes (als Denkendes) kein Gegenstand äußerer Sinne (keine Erscheinung im Raume). Das heißt: “es können uns niemals unter äußeren Erscheinungen denkende Wesen als solche vorkommen, oder: wir können ihre Gedanken, ihr Bewußtsein, ihre Begierden usw. nicht äußerlich anschauen; denn dieses gehört alles vor den inneren Sinn", ibid. (I 736 Rc 436 f.).

„Ob die Seele eine einfache Substanz sei oder nicht, das kann uns zur Erklärung der Erscheinungen derselben ganz gleichgültig sein; denn wir können den Begriff eines einfachen Wesens durch keine mögliche Erfahrung sinnlich, mithin in concreto verständlich machen; und so ist er in Ansehung aller verhofften Einsicht in die Ursache der Erscheinungen ganz leer und kann zu keinem Prinzip der Erklärung dessen, was innere oder äußere Erfahrung an die Hand gibt, dienen“, Prol. § 44 (III 96). Die Seele ist uns nicht als ein absolutes Subjekt gegeben, sondern dieses ist unbekannt. Es kann von dem „denkenden Selbst“ die Beharrlichkeit, die es zu einer Substanz machen würde, nicht aus dem Begriffe einer Substanz als eines Dinges an sich bewiesen werden. Wollen wir aus dem Begriffe der Seele als Substanz auf eine Beharrlichkeit derselben schließen, so kann dieses von ihr doch nur zum Behuf möglicher Erfahrung gelten, also nur für das Leben; denn der Tod des Menschen ist das Ende aller Erfahrung, ibid. §§ 47—48 (III 101 ff.). Die Seele ist „wirklich in der Zeit“ als Gegenstand des inneren Sinnes, als Erscheinung, dessen „Wesen an sich selbst“ unbekannt ist. Als empirisches Ich oder „Seele nach der empirischen Psychologie“, d. h. „Erscheinung des inneren Sinnes“, existiere ich aber nicht „außer meiner Vorstellungskraft in der Zeit“, ibid. § 49 (III 103 f.).

Das Bewußtsein, also die Klarheit der Vorstellungen und das „Vermögen des Bewußtseins“, die Apperzeption, mit diesem auch die „Substanz der Seele“ hat „einen Grad, der größer oder kleiner werden kann, ohne daß irgendeine Substanz zu diesem Behuf entstehen oder vergehen dürfte“, Anfangsgr. d. Naturw. 3. H. Lehrs. 2. Anmerk. (VII 290). Bei allmählicher Verminderung des Apperzeptionsvermögens müßte aber dasselbe und damit die Substanz der Seele selbst vergehen, durch allmähliches „Erlöschen“ („Nachlassung des Grades derselben“), ibid. (VII 290 f.). Der Mensch erkennt sich nur als „Gegenstand des inneren Sinnes“. „Er ist sich selbst aber auch als Gegenstand seiner äußeren Sinne bewußt, d. h. er hat einen Körper, mit dem der Gegenstand des inneren Sinnes verbunden die Seele des Menschen heißt.“ „Daß er nicht ganz und gar bloß Körper sei, läßt sich, wenn diese Erscheinung als Sache an sich selbst betrachtet wird, strenge beweisen, weil die Einheit des Bewußtseins, die in jeder Erkenntnis (mithin auch in der seiner selbst) notwendig angetroffen werden muß, es unmöglich macht, daß Vorstellungen, unter viele Subjekte verteilt, Einheit des Gedankens ausmachen sollten; daher kann der Materialismus nie zum Erklärungsprinzip der Natur unserer Seele gebraucht werden.“ „Betrachten wir aber Körper sowohl als Seele nur als Phänomene, welches, da beide Gegenstände der Sinne sind, nicht unmöglich ist, und bedenken, daß das Noumenon, was jener Erscheinung zum Grunde liegt, d. i. der äußere Gegenstand, als Ding an sich selbst, vielleicht ein einfaches Wesen sein möge — —“ (Schluß des Satzes fehlt im Texte). Ob die Seele ein „Geist“ sei, d. h. ob sie auch ohne Körper sich ihrer und ihrer Vorstellungen bewußt sein kann oder nicht, ist absolut unerkennbar, Fortschr. d. Metaph. 2. Abt. Auflös. der Aufgabe III (V 3,140 f.). Vgl. Seele und Leib, Geist, Ich, Subjekt, Identitätstheorie, Unsterblichkeit.