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Rumänien, die »Schande Europas«!

Nach meiner Kenntnis halte ich das Land für einen schönen Apfel, auf dem eine dicke Schicht Maden sitzt: Rumäniens herrschende Klasse. Das bäuerliche Proletariat lebt elend und schuftet für die Pächter, die wiederum ihre Herren betrügen, und die kennen zum Teil ihre Güter gar nicht, weil sie in Paris sehr wichtige und häufig nächtliche Staatsgeschäfte haben. Rumäniens Proletariat wird fast ganz von einer verkommenen Beamtenschaft und ihren Frauen verdeckt, von bürgerlichen Nichtstuern in den Städten, die von der lateinischen Kultur weder Henry Barbusse noch Anatole France, sondern nur den Gebrauch französischer Parfüms angenommen haben. Verdeckt wird das rumänische Volk aber hauptsächlich durch die Clique seiner Politiker, die mit wenigen Ausnahmen das Äußerste an Korruption und Unsauberkeit darstellen. Es ist ein Operettenstaat mit einem tragischen Chor: den Bauern. Auf der moralischen Höhe seiner Beamten steht auch die berüchtigte Siguranza, Rumäniens politische Polizei.

Die Schmach der Judenverfolgungen lastet noch heute auf dem Lande, und was früher einmal in Mitteleuropa der Jude gewesen ist, das ist heute für viele Staaten der Kommunist: ein rechtloser Gejagter, an dem sich jeder Polizeilümmel die Hacken abtreten darf. Die grausamen Folterungen, die in den Gefängnissen des Balkans heute vorgenommen werden, in Bulgarien wie hauptsächlich in Rumänien, ohne daß sich der moralische Völkerbund jemals um die Notschreie der Opfer kümmert, sind für die Quäler ganz ungefährlich – wären die Kommunistischen Parteien und die Ligen für Menschenrechte nicht, kein Mensch wüßte von ihnen.

So aber wollen wir es in die Welt hinausschreien, dass mit Boris Stefanow Hunderte und Hunderte in den rumänischen Gefängnissen verrecken, vor ihrem geistigen Auge das Bild einer Heimat, um die man sie betrogen hat – auf ihren Lippen einen Fluch und einen Schrei um Hilfe.

Bewahrt den Fluch in euren Herzen und gebt den Hilfeschrei weiter!

Ignaz Wrobel
Der Rote Helfer, Jan. 1928, Nr. 1, S. 5.