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Die leider nicht absetzbaren Richter

haben einen hergeben müssen, den sie festgehalten haben, um ihm den üblichen Prozeß wegen Hochverrats zu machen. Hoffentlich hält der festgenommene Mittäter dicht: es wäre so ziemlich das erste Mal, dass solche Gefangenenbefreiung von links her glückt – dasselbe Gebäude hat manche Schiebung von rechts her gesehen, ohne dass man viel Wesens davon gemacht hätte … Vielleicht besinnen sich die Beteiligten noch auf die freche Entlassung des Leutnants Vogel …

Was aber den Fall Braun anbetrifft, so ist da ein Punkt, der die größte Beachtung verdient.

Der Mann saß bereits anderthalb Jahre in Untersuchungshaft.

Nehmen wir einmal an, Otto Braun sei wirklich an den ihm vorgeworfenen Straftaten schuld, was ja nicht ausgeschlossen ist; nehmen wir ferner an, dass die Untersuchungshaft zu Recht verhängt worden ist; dass es schwierig ist, aus dem Knäuel von Aussagen, Angaben, Denunziationen, Lügen und Halbwahrheiten den Tatbestand herauszuschälen –: es wird uns kein Jurist dieser Erde weismachen, dass man dazu anderthalb Jahre nötig hat. Es ist uns auch kein Fall bekannt, in dem jemals ein Angehöriger der herrschenden Kaste, wenn schon eingesperrt, dann so lange in Untersuchungshaft hat brummen müssen. Hier liegt klar erkennbar etwas andres zugrunde.

Die Rücksichtslosigkeit, mit der Kommunisten überall behandelt werden, kann zum Teil durch die Hitze eines tatsächlich vorhandenen Klassenkampfes erklärt werden. Es ist aber nicht anständig, Untersuchungshaft zu benennen, was in Wahrheit Strafe ist. Eine Untersuchungshaft von anderthalb Jahren darf das Vorspiel zu einer Strafe von Jahrzehnten sein, damit das richtige Verhältnis aufrechterhalten bleibt. Wahrscheinlich werden ein paar Jahr verhängt werden, der Gefangene hat also in Wahrheit etwa um ein Drittel mehr bekommen, als das Gericht selbst ihm aufbrummt. Und das ist beabsichtigt.

Der Vorwurf der Verschleppung kann gegen die Unabsetzbaren deshalb nicht erhoben werden, weil er nicht nachzuweisen ist. Aber wir kennen jene perfiden bureaukratischen Tricks der Kunst, das Objekt, auf dem da herumregiert wird, langsam am Spieß zu rösten, und da jede Bureaukratie stets siegt, weil sie bleibt, während alles andre vorübergeht, so ist der Untersuchungsgefangene der Dumme. Die Untersuchungshaft in politischen Prozessen ist vorweggenommene Strafe.

Achtzehn Monate hat Otto Braun in einer Haft gesessen, die angeblich zur »Untersuchung« seines Falles diente. Tausende sitzen so wie er – denn wer prüft nach, ob der Beschluß, jemand festzusetzen, nicht etwa leichtfertig verhängt worden ist? Wiederum Richter prüfen es – also ist in politischen Sachen keine Gewähr gegeben, dass objektiv geprüft wird. Wir haben kein Vertrauen mehr.

Und verlangen die Absetzbarkeit der deutschen Richter.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 24.04.1928, Nr. 17, S. 653.