1498. Windsbraut¹⁾. Orkan²⁾. Sturm³⁾.
Sturm ist der allgemeinste Ausdruck und bezeichnet überhaupt eine heftige, gewaltsame Bewegung nicht nur der Luft, sondern auch anderer Gegenstände, z. B. Windsturm, Gewittersturm, Wasser-sturm, dann Übertragen: Sturm der Leidenschaften usw. Im engern Sinne bezeichnet es den Sturmwind, und man versteht da unter diesem Worte die heftige Erregung der Luft als solche, sowohl die geringeren Grade, als auch die höchsten Grade einer solchen Bewegung. Windsbraut (d. i. Braut des Windes; von einigen wird diese Deutung dagegen nur als Volksetymologie aufgefaßt und das mittelhochdeutsche windes brût als verwandt mit windes brûs, d. i. Windsbraus, angesehen) ist dagegen nur ein gewaltig dahinbrausender, besonders heftiger, heulender und tobender Sturmwind. Der Ausdruck ist ein Zeugnis für die sinnlich kräftige Art, mit der unsere Vorfahren die Dinge betrachteten. Rud. Hildebrand sagt hierüber in seinem trefflichen Buche: „Vom deutschen Sprachunterricht in der Schule": „Alle Welt sagt noch: der Wind geht, er war einst als Mann gedacht, als Riese; ebenso er erhebt sich, steht auf wie eine gewaltige Gestalt fern aus dem Felde; er legt sich auch wieder nieder. Da ist auch die Windsbraut zu erwähnen, ganz wirklich eigentlich die Braut des Windes, d. h. die (junge) Frau, was Braut in alten Zeiten auch bedeutete: die Windin heißt sie kurz in der Oberpfalz (Grimms Wb. V, 725). Denn es lebte eine ganze Windfamilie in den Gedanken unserer Väter, wenigstens ist ein junger Herr Wind bis heutigestags im Aberglauben zu finden. Wenn der Sturm sich erhebt, wird noch hier und da eine Handvoll Mehl in den Wind gestreut, für das Kind des Windes, wie die Leute da sagen: „Siehe da, Wind, koch ein Mus für dein Kind.“ Eine Redensart der Dithmarschen, womit sie sich einst den Sturmwind erklärten, läßt Vater und Sohn deutlich zusammen auftreten und sogar zugleich einen Blick in das Hauswesen der Familie Wind tun: de grôte Windkêrl is verrêst un de lütt (der kleine) let (läßt) den sack flegen (Groths Quickborn), der Junge benutzt die Abwesenheit des Vaters, um es ihm einmal stolz nachzumachen, und — verpfuscht das Geschäft. (3. Aufl. S. 110, 111.)1 Windsbraut ist vorwiegend in dichterischer Sprache in Gebrauch. „Wie rast die Windsbraut durch die Luft! | Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken.“ Goethe, Faust I, Walpurgisnacht. „Ich taumelte bebend auf, und siehe, da war mir’s, als säh’ ich aufflammen den ganzen Horizont in feuriger Lohe, und Berge und Städte und Wälder wie Wachs im Ofen zerschmolzen, und eine heulende Windsbraut fegte von hinnen Meer, Himmel und Erde — da erscholl’s wie aus ehernen Posaunen: Erde, gib deine Toten, gib deine Toten, Meer! und das nackte Gefilde begann zu kreißen und aufzuwerfen Schädel und Rippen und Kinnbacken und Beine, die sich zusammenzogen in menschliche Leiber und daherströmten unübersehlich, ein lebendiger Sturm.“ Schiller, Räuber V, 1. Orkan bezeichnet einen ganz besonders heftigen und gewaltigen Sturm, es ist das übliche Wort der Schriftsprache (aus niederl. orkaan, it. uracano, oragano, orricano, orcano). „Da wandte | sich der Jüngling, und mit der leisen Bewegung der Urkraft, | wie in dem Himmel sie Gott anschuf, berührte des Engels | Wehen, indem er sich wandte, den Toten. Da folgt’ er, als rissen | Stürme dahin, als wirbelten ihn Orkane wie Meerschaum.“ Klopstock, Messias XVI, 447 ff.
- In der Meißner Gegend sagen die Landleute von dem Schaden, den der Wind angerichtet hat, häufig auch: „Das ist Winds Junge gewesen!“ „Winds Junge hat wieder gehörig getobt."↩