3. Mathematik, Geometrie, Optik


3. Mit dem Discours de la méthode zugleich erschienen die Geometrie, die Meteorologie und die Optik, d.h. die Anwendung seiner erkenntniskritischen Grundsätze auf die von ihm in eifriger eigener Forschung geförderten Gebiete der Mathematik und Naturwissenschaft.

a) Arithmetik und Geometrie heißen Beispiele für die Grundwissenschaft der Erkenntnis. Die Grundmethode beider, die Verknüpfung von Größen, ist die Methode alles wissenschaftlichen Denkens überhaupt, »die Quelle aller Wahrheiten«. Voraussetzung aller Größensetzung ist der Begriff der Dimension, in dem erweiterten Sinne der Gleichartigkeit, die uns zuletzt auf die Einheit als die »gemeinsame Natur« alles Vergleichbaren führt. Das Einfache ist überhaupt die erzeugende Bedingung des Zusammengesetzten, wie der Punkt die der Linie. Der Begriff des Maßes stellt die Verbindung zwischen dem reinen Denken und der sinnlichen Anschauung her. Die mathematischen Gebilde (Figuren und Zahlen) sind, auch wenn sie nicht »außer uns« existieren sollten, wie Descartes mit Schärfe gegen Gassendi und Hobbes erklärt. Anders denken hieße »der Vernunft den Mund verschließen«, »meine Physik aber erstrebt nichts sehnlicher als möglichst große Annäherung an die reine Mathematik« Die Idee des Dreiecks muß vorher vorhanden sein, wenn wir ein sinnlich Gegebenes als Dreieck erkennen sollen. Die objektive Geltung der Mathematik hängt von ihrer Naturwirklichkeit nicht ab.

b) Anderseits findet die Mathematik erst in der Naturerkenntnis ihre Erfüllung. Der Gegenstand der Natur, der Körper, wird zunächst (Princ. II, 4 ff.) durch rein mathematische Merkmale, nämlich allein durch seine Ausdehnung in Länge, Breite und Tiefe, bestimmt. Die Empfindung wird ausgeschaltet, mit ihr die sinnlichen Qualitäten der Härte, Farbe, Schwere usw. Die mit den Sinnen nicht mehr wahrnehmbaren Körperchen (Korpuskulartheorie), auf welche Descartes schließlich seine Materie zurückführt, sind, ebenso wie die Atome Demokrits, rein geometrische Begriffe. Aber das Problem der besonderen Wirklichkeit (Bestimmtheit) der Körper im Raum ist nicht mit den Mitteln der reinen Mathematik allein zu lösen. Es kommt der Begriff der Bewegung (Ortsveränderung) hinzu, der allerdings durch die Logik (Kategorie der Veränderung) und Geometrie (Ort) schon vorbereitet erscheint. Alle Veränderung in der Natur ist nur Bewegung, Veränderung der räumlichen Verteilung innerhalb des sich quantitativ gleichbleibenden Universums. Das Grundgesetz der Erhaltung der Bewegungsgröße gilt für alle »möglichen« Welten, die »Gott erschaffen könnte« Innerhalb derselben werden dann alle Naturerscheinungen ganz mechanisch durch Stoß und Druck erklärt, die jedoch nicht naiv sinnlich, sondern rein begrifflich, als Ausgleich zwischen den Bewegungsgrößen benachbarter Raumstellen zu denken sind. Die Wechselwirkung zwischen den sogenannten »Dingen« wird demnach nicht mit den Mitteln der sinnlichen Empfindung erklärt, sondern in rein geometrischer Anschauung konstruiert. So ist Descartes' scheinbarer Materialismus in Wirklichkeit wissenschaftlicher Idealismus.


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