Die Feuerwehr


ist bekanntlich die einzige Institution, die in Wien funktioniert, und sie ist schneller da, als es gelingt, sie telephonisch zu verständigen. Jetzt denke man sich aber den Brandschaden aus, wenn ihre Aktion gleichen Schritt mit der Feuerberichterstattung hielte:

Um halb zehn Uhr sah man aus dem Dachstuhle an der Ecke des Hauses Flammen emporsteigen …

Eine hohe Feuergarbe schlug zum Himmel empor. Die Flammen beleuchteten die Umgebung taghell und schufen die schauerlichschönsten Farbeneffekte. Das Burgtheater erglänzte in einem rötlichen magischen Lichtschein. Die Bäume des Rathausparkes hoben sich mit rötlich angehauchten Blättern vom Nachthimmel ab und die Fronten des Rathauses und der Universität, in dem der Burg zu gelegenen Teile, waren in rotes Licht getaucht, das alle Konturen klar hervortreten ließ. Vom Dache herab wehte der leichte Wind einen wahren Funkenregen, dessen Ausläufer bis zum Burgtheater hinstoben.

Die Feuerwehr wurde alsbald verständigt und entsandte als erste Bereitschaft einen Train unter dem Kommando des Inspektors Zuleger. Alsbald folgten weitere Trains der Zentrale mit Oberinspektor Jenisch, und auch Feuerwehrkommandant Müller fand sich bald nach Ausbruch des Brandes auf dem Platze ein und leitete mit Oberinspektor Jenisch die Löschaktion, die vorerst darauf gerichtet war, den Brand abzudämmen. Den Offizieren standen zu diesem Zwecke drei Dampfspritzenautomobile zur Verfügung. Sie wurden vor dem Burgtheater, vor dem Löwenbräu und an der Mölkerbastei postiert und von den Hydranten gespeist. Außerdem wurden vier andere Schlauchlinien von den Kohlensäurespritzen gespeist.

Rings auf dem Ring hatte sich eine unabsehbare Menschenmenge angesammelt. Ein starkes Aufgebot von Sicherheitswache unter dem Kommando des Bezirksinspektors Dr. Rumpel versah den Ordnungsdienst, um die Feuerwehr in ihrer Aktion in der für jedermann abgesperrten Oppolzergasse nicht stören zu lassen....

Es ergab sich keine Notwendigkeit, Parteien zu delogieren ....

Auf dem Brandplatze waren der Stellvertreter des Polizeipräsidenten Hofrat Freiherr v. Gorup, der Stellvertreter des Polizeibezirksleiters Polizeirat Dusik, der Stellvertreter des Kommandanten der Sicherheitswache Polizeirat Rzehak und Kommissär Dr. Kapralik erschienen. Auch die Rettungsgesellschaft hatte eine Ambulanz mit Dr. Cha—

Herrgott im Himmel, welche Pracht, wie hob sich alles ab, sie zählt die Häupter ihrer Lieben, nie war das Burgtheater so schön, welcher Enthusiasmus, alles ruft: Bravo! Weiter brennen! Niemand will sich delogieren lassen. So vergehen Stunden der Andacht, da ereignet sich ein Zwischenfall: die Feuerwehr kommt; sie hat es aber nicht zu bereuen, sie ist auch entzückt, alle teilen sichs mit, der Zuleger sagts dem Jenisch, der Jenisch dem Müller, der Rumpel macht den Gorup aufmerksam, der Gorup in Vertretung den Dusik, der aber auch in Vertretung erschienen ist, dieser wieder den Rzehak, der auch in Vertretung erschienen ist und eben den Kapralik auf die schauerlichschönsten Farbeneffekte aufmerksam machen will, als eine starke Rauchentwicklung den Namen des Dr. Ch— in einem Hustenanfall erstickt. Diesem bedenklichen Umstand ist es zuzuschreiben, dass die Feuerwehr abgelenkt wurde und es ihr gelang, den Brand nach zweistündiger Bewunderung zu lokalisieren.

 

 

Oktober, 1912.


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