Emilisa


das Entzücken der Frauen und Kinder! Also sämtlicher Bewohner von Österreich-Ungarn. »Das Kopf auf Kopf zusammengewachsene Geschwisterpaar, das einzig dastehende Naturwunder« — welche Gemeinsamkeit! Haben Sie schon Österreich-Ungarn gesehn? Auch alle Besucher unseres Panoptikums, die dem Rufe: Hereinspaziert! folgen, die sogenannten Fremden, haben ihre Freude an dem Völkerfreak. Welches Problem muß uns naturgemäß bewegen? Was dann geschieht, wenn Zwietracht ausbricht? Subtiler! Ob Lisa sich kratzen darf, wenn es Emilien juckt. Ob ein ungarischer Abgeordneter in Österreich hinausgeworfen werden kann. Zum Glück hat Emilie auf Lisas Rücken ein Wimmerl, wo sie sich exterritorial kratzen darf, ohne dass Lisa etwas dagegen einwenden dürfte und ohne daß sie selbst kratzen darf, weil sie nur daneben darf. »Dagegen darf natürlich außerhalb des exterritorialen Gebietes des Ministerialgebäudes ungarische Polizei absolut nicht …« und »wenn ungarische Abgeordnete auf der Straße demonstrieren, so darf die Wiener Polizei …« Die Völkerrechtler — Anatomen, die das Monstrum fachmännisch interessiert — laufen herbei. Die Mitarbeiter haben Gelegenheit, ihnen »auf diesen rechtlich so komplizierten Fall Bezug habende Fragen vorzulegen«. Man wartet. Der Pavlik kommt. Der Pavlik ist schon da. Wer ist denn der Pavlik? Das ist der, der alles demonstriert. Man wartet. Wann wird gekratzt? Da stellt sich heraus: es wird gar nicht gekratzt, weil es gar nicht gejuckt hat. Die Besucher des Panoptikums schimpfen und wollen ihre Quote zurück.

 

 

Oktober, 1912.


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