Endliche Anstellung als ordentlicher Professor


Man hatte ihm inzwischen "erneute und viel vermögende" Versicherungen in seiner Vaterstadt gemacht, die diesmal der Erfüllung wirklich nahe schienen, da eine Vakanz infolge des Dahinsiechens des greisen Professors Langhansen aller Wahrscheinlichkeit nach in nächster Aussicht stand. In dem Ablehnungsschreiben an die Erlanger, das einem Charakter von der Art Kants doppelt peinlich war, weil es den "Anschein einer wandelbaren Gesinnung" erweckte, treten auch die inneren Beweggründe, die ihn zu der nachträglichen Absage bestimmten, deutlich hervor. Es ist einmal die Anhänglichkeit an die Vaterstadt, es ist weiter ein "ziemlich ausgebreiteter Kreis von Bekannten und Freunden", es ist drittens seine "schwächliche Leibesbeschaffenheit", die sich jetzt, wo es verwirklicht werden soll, seinem Vorhaben "mächtig entgegenstellen"; und es ist noch mehr als das alles sein "zu Veränderungen, die anderen nur gering scheinen, unentschlossenes" Gemüt, das seine Ruhe nur dort auch ferner zu bewahren hoffte, wo er sie, "obzwar in beschwerlichen Umständen, bis daher jederzeit" gefunden hatte: in der alten Heimat.

Am 15. März 1770 war der greise Langhansen endlich gestorben. Und schon am folgenden Tage reicht Kant sein privates Gesuch an den ihm wohlwollenden Minister von Fürst, drei Tage später das offizielle an König Friedrich II. ein. Es stand diesmal für ihn eine Lebensfrage zur Entscheidung. Übrigens wollte der Philosoph nur eine seiner "Geschicklichkeit und Neigung" angemessene Stelle einnehmen. Deshalb wollte er gerne die durch Langhansens Tod erledigte, mit "guten Emolumenten", freier Wohnung usw. versehene Professur der Mathematik und Theologie einem anderen überlassen: sei es dem Schwiegersohn des Verstorbenen, Professor der Moral Christiani, wodurch dann des letzteren "Profession" für ihn (Kant) frei werde; sei es dem jetzigen Professor der Logik und Metaphysik Buck, der ja schon verschiedene Jahre Extraordinarius der Mathematik gewesen sei und "nur bei Gelegenheit des russischen gouvernements" die damals vakant gewordene Professur für Logik und Metaphysik, "zu welcher ich sonst von der academie alle Empfehlung hatte", erhalten habe: so dass dann diese Professur ihm (Kant) verliehen werden könne. Man begreift, dass er jetzt, ganz gegen seine Gewohnheit, Eile hatte, aus dem Ernst der Stunde, der auch an verschiedenen Stellen in beiden Schreiben wiederklingt. "Ich trete in diesem Frühjahr in das 47ste Jahr meines Alters, dessen Zunahme die Besorgnisse eines künftigen Mangels immer beunruhigender macht," so schrieb er an Fürst. Und in der Eingabe an den König: "Meine Jahre, und die Seltenheit der Vorfälle, die eine Versorgung auf der Akademie möglich machen, wenn man die Gewissenhaftigkeit hinzusetzt, sich nur zu denen Stellen zu melden, die man mit Ehre bekleiden kann, würden, im Falle dass mein untertänigstes Gesuch den Zweck verfehlete, in mir alle fernere Hoffnung zu künftigem Unterhalte in meinem Vaterlande vertilgen und aufheben müssen."

Aber er wurde nun auch durch eine ungewöhnlich schnelle Erledigung der Sache bald auf immer von den hier geäußerten Besorgnissen befreit. Schon am 31. März d. J. unterzeichnete König Friedrich eine Kabinettsorder, die sich für den zweiten der von Kant gemachten Vorschläge entschied und den Magister Immanuel Kant "wegen desselben Uns alleruntertänigst angerühmten Fleißes und Geschicklichkeit, auch besonders in den Philosophischen Wissenschaften erlangten gründlichen Erudition, zum Professore Ordinario der Logic und Metaphysic bei der Philosophischen Facultät Unserer Universität zu Königsberg in Preußen" ernannte: in der Erwartung, dass "Uns und Unserem Königl. Hause derselbe treu, hold und gewärtig seyn", "die studierende Jugend publice und privatim docendo et disputando ohnermüdet unterrichten, und davon tüchtige und geschickte Subjecta zu machen sich bemühen, wie nicht weniger derselben mit gutem Exempel vorgehen" werde, "übrigens auch in allen Stücken sich so betragen und verhalten soll, wie es einem treuen, redlichen und geschickten Königl. Diener und Professori bei ermeldter Unserer Universität wohl anstehet, eignet und gebühret." So hatte Immanuel Kant, nach fünfzehn langen Magisterjahren, endlich die Stellung erreicht, die seinen Gaben und seinen Wünschen entsprach.


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