Unter russischer Herrschaft


Durch die russische Okkupation Ostpreußens, die vom Januar 1758 bis in den Juli 1762 hinein, also volle vierundeinhalb Jahre dauerte, änderte sich nichts Wesentliches in den Einrichtungen des Landes, insbesondere auch im gewohnten Leben der Universität: nur dass die Eingaben — auch diejenige Kants, wie wir sahen — jetzt an die "Allerdurchlauchtigste Großmächtigste Kayserin und große Frau" Elisabeth anstatt an den "Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten König" Friedrich II. gerichtet werden mußten. Besonders der menschenfreundliche Gouverneur Nikolaus von Korff (Juli 1758 bis Januar 1761) machte sich durch seine Rechtschaffenheit und Güte allgemein beliebt. Die russischen Offiziere brachten Geld ins Land; freilich mit dem größeren Luxus, den bald auch die Einheimischen annahmen, auch größere Leichtfertigkeit, namentlich in geschlechtlichen Dingen. Daneben herrschte jedoch in einem Teile des Offizierkorps anscheinend ein gewisser Bildungsdrang; wenigstens wird berichtet, dass unser Magister damals "viele russische Offiziere in der Mathematik privatim unterrichtet" habe. Zu einer nicht sicher bestimmten Zeit auch einen polnischen Edelmann von Orsetti, der im Sommer seine Güter bewirtschaftete, im Winter sich in Königsberg aufhielt und durch seinen Eifer Kant bis in sein Alter unvergeßlich blieb (Wannowski). In seinen Briefen und Schriften ist nirgends von den politischen und kriegerischen Zeitereignissen die Rede, eine Stelle in dein eben erwähnten Trostschreiben an Frau von Funk ausgenommen. Und auch dort sind es nicht patriotische, sondern allgemein-menschliche Gefühle, denen der Briefschreiber Ausdruck verleiht. "Zu einer Zeit, da ein wütender Krieg die Riegel des schwarzen Abgrunds eröffnet, um alle Trübsale über das menschliche Geschlecht hervorbrechen zu lassen", da flöße der gewohnte Anblick von Not und Tod den davon Bedrohten wohl eine "kaltsinnige Gleichgültigkeit" ein; anders, wenn in der "ruhigen Stille des bürgerlichen Lebens" der Tod einem aus dem Zirkel der uns Nahestehenden reiße! So schreibt ein Bürger von Königsberg Juni 1760, d. i. mitten in der Bedrängnis seines Staates durch den Krieg der sieben Jahre, der freilich die meiste Zeit fern von Ostpreußens Gefilden geführt wurde!


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