Geselliger Umgang.
Eine Trostschrift


Der gesellige Verkehr des "kleinen Magisters" scheint sich in diesen ersten Jahren in ziemlich bescheidenen Grenzen bewegt zu haben. Freilich spricht Hamann in einem Briefe aus dem Jahre 1759 schon von der "akademischen" und "galanten" Welt, in der, im Gegensatz zu ihm selbst, Kant sich bewege. Allein bei dem "Magus aus Norden", der anspruchs- und formlos bis zum Äußersten war, will das nicht viel besagen. Die wenigen uns erhaltenen Nachrichten berichten jedenfalls nur von höchst einfachen Vergnügungen, von einem "bäurischen Abendbrot", das man zu dreien in dem Krug der Trutenauer Windmühle (in der weiteren Umgebung der Stadt) verzehrte oder von einem Zusammensein mit Referendar Wulf, Dr. jur. Funk (1721—1764), Hamann, Prof. Kypke und Gymnasiallehrer Freytag in Schultz' Kaffeegarten. Die beiden letztgenannten waren Schulkameraden Kants; mit Freytag, der seit 1747 am Domgymnasium unterrichtete, 1767 als Pfarrer nach dem benachbarten Kirchdorf Neuhausen kam und dort 1790 starb, scheint er besonders viel verkehrt zu haben. Er empfiehlt sich gelegentlich auch durch seinen gewesenen Schüler Borowski, der dort Hofmeister war, den "gnädigen Damen des von mir äußerst verehrten Schulkeimschen Hauses". Und er verkehrte natürlich, auch abgesehen von solchen Studierenden, deren Führung, d. h. "Beaufsichtigung" er besonders übernommen hatte, mit seinen augenblicklichen oder früheren Zuhörern.

Ein Zeichen davon, wie sehr man ihn in weiten Kreisen schätzte, ist das, dass man nach dem Tode eines derselben gerade von ihm ein Trostschreiben an die trauernde Mutter begehrte. Diesem Umstand verdanken wir seine im Druck erschienenen, vom 6. Juni 1760 datierten 'Gedanken bei dem frühzeitigen Ableben des Herrn Johann Friedrich von Funk'. Wichtiger als der besondere Anlaß, der Tod eines an der Schwindsucht verstorbenen stillen und fleißigen kurischen Studenten, ist für uns die Beleuchtung, in der hierbei des Philosophen eigene Sinnesart erscheint. Die "Gedanken" sind in schwungvoller, fast poetischer und doch die Phrase verschmähender Sprache geschrieben, hier und da durch ein Dichterwort von Lukrez, Haller oder Pope gewürzt. Sie zeigen, dass ihr Verfasser keineswegs des weicheren Gefühls entbehrte. Gegenüber den "rauschenden Freuden" und dem "Getümmel der Geschäfte und Zerstreuungen", in denen die meisten Menschen ihr Glück suchen, preist er die "ruhige Heiterkeit der Seele", der nichts Menschliches unerwartet kommt, die "sanfte Schwermut", die in einsamer Stille die Nichtigkeit desjenigen erwägt, "was bei uns gemeiniglich für groß und wichtig gilt". "Bereit, sich mit einer christlichen Resignation in den Befehl des Höchsten zu ergeben", wenn es diesem gefällt, "ihn von der Bühne abzurufen", wird der Weise, in Gedanken an "seine große Bestimmung jenseits dem Grabe", bis dahin eifrig seine Pflichten erfüllen, "vernünftig in seinen Entwürfen, aber ohne Eigensinn, zuversichtlich auf die Erfüllung seiner Hoffnung, aber ohne Ungeduld, bescheiden in Wünschen, ohne vorzuschreiben, vertrauend, ohne zu pochen".


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