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Glaube

Glaube. Es gibt vom Übersinnlichen (s. d.) kein theoretisches Wissen. Aber es ist nicht nur möglich, an Gott und Unsterblichkeit zu glauben, sondern die praktisch-sittliche Vernunft fordert geradezu die Annahme dieser übersinnlichen, nicht erfahrbaren Dinge (s. Postulate), als Ergänzung des Wissens und für eine befriedigende Darlegung des Verhältnisses zwischen Sittlichkeit und Glückseligkeit. Der „Vernunftglaube“ ist ebenso sicher wie eine Erkenntnis, er schöpft seine Überzeugung aus der moralischen Gesinnung, die zwar als selbständig nicht auf einem (religiösen) Glauben beruht, aber einen solchen notwendig zeitigt. Zwischen Wissen und Glauben kann kein Widerspruch oder Konflikt bestehen, da das Gebiet des Wissens die Welt des Erfahrbaren, der Erscheinungen ist, während der Glaube sich auf etwas richtet, was jenseits aller Erfahrung und der Formen derselben liegt, dessen Annahme aber ein „Bedürfnis“ der Vernunft ist. Gerade durch Einschränkung der theoretischen Erkenntnis auf Erscheinungen wird eine Erweiterung der Vernunft zum Behuf des praktischen Gebrauchs möglich. „Ich mußte ... das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen“, KrV Vorr. z. 2. A. (I 37—Rc 32).

Es scheint „der menschlichen Natur und der Reinigkeit der Sitten gemäßer zu sein, die Erwartung der künftigen Welt auf die Empfindungen einer wohlgearteten Seele, als umgekehrt ihr Wohlverhalten auf die Hoffnung der anderen Welt zu gründen. So ist auch der moralische Glaube bewandt, dessen Einfalt mancher Spitzfindigkeit des Vernünfteins überhoben sein kann, und welcher einzig und allein dem Menschen in jeglichem Zustande angemessen ist, indem er ihn ohne Umschweife zu seinen wahren Zwecken führt“, Träume 2. T. 3. H. (V 2, 69). Das „Bedürfnis der Vernunft“ führt zum „Vernunftglauben“. „Ein jeder Glaube, selbst der historische, muß zwar vernünftig sein (denn der letzte Probierstein der Wahrheit ist immer die Vernunft), allein ein Vernunftglaube ist der, welcher sich auf keine andere Data gründet als die, so in der reinen Vernunft enthalten sind. Aller Glaube ist nun ein subjektiv zureichendes, objektiv aber mit Bewußtsein unzureichendes Fürwahrhalten; also wird er dem Wissen entgegengesetzt.“ Das Meinen kann zu einem Wissen werden, so auch der historische Glaube, nie aber der reine Vernunftglaube, „weil der Grund des Fürwahrhaltens hier bloß subjektiv, nämlich ein notwendiges Bedürfnis der Vernunft ist (und, solange wir Menschen sind, immer bleiben wird), das Dasein eines höchsten Wesens nur vorauszusetzen, nicht zu demonstrieren“. Was heißt: s. i. D. or? (V 2, 156 f.). Das Bedürfnis der Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauche ist eine reine „Vernunfthypothese“, d. h. eine Meinung, die aus subjektiven Gründen zum Fürwahrhalten zureichend ist. Der Vernunftglaube auf praktischer Grundlage aber ist ein „Postulat“ (s. d.) der Vernunft, ibid. (V 2, 157). „Zur Festigkeit des Glaubens gehört das Bewußtsein seiner Unveränderlichkeit. Nun kann ich völlig gewiß sein, daß mir niemand den Satz: Es ist ein Gott, werde widerlegen können; denn wo will er diese Einsicht hernehmen?“ ibid. Anm. (V 2,157). „Die Maxime der Unabhängigkeit der Vernunft von ihrem eigenen Bedürfnis (Verzichtung auf Vernunftglauben) heißt nun Unglaube.“ Dieser „Vernunftunglaube“ ist „ein mißlicher Zustand des menschlichen Gemüts, der den moralischen Gesetzen zuerst alle Kraft der Triebfedern auf das Herz, mit der Zeit sogar ihnen selbst alle Autorität benimmt und die Denkungsart veranlaßt, die man Freigeisterei nennt, d. i. den Grundsatz, gar keine Pflicht mehr zu erkennen“, ibid. (V 2, 162).

Ist das Fürwahrhalten „nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten“, so heißt es Glauben „Es kann aber überall bloß in praktischer Beziehung das theoretisch unzureichende Fürwahrhalten Glauben genannt werden. Diese praktische Absicht ist nun entweder die der Geschicklichkeit oder der Sittlichkeit, die erste zu beliebigen und zufälligen, die zweite aber zu schlechthin notwendigen Zwecken.“ Ist die Voraussetzung eines Zweckes und das Fürwahrhalten gewisser Bedingungen der Erreichung desselben subjektiv und nur „komparativ zureichend“, so ist der Glaube ein „zufälliger“ oder „pragmatischer“ Glaube, der verschiedene Grade haben kann. Geht dieser Glaube auf theoretische Urteile (als Analogie von praktischen), so ist es ein „doktrinaler“ Glaube (z. B. an die Bewohner anderer Welten), der sehr stark sein kann. Zu diesem Glauben gehört die Lehre vom Dasein Gottes, als Voraussetzung einer Ordnung der Dinge nach Zwecken durch eine höchste Intelligenz, eine Voraussetzung, die zur Forschung in der Natur eine Leitung gibt und deren „Brauchbarkeit“ so oft durch den Ausgang der Versuche bestätigt wird; ähnlich steht es mit dem Glauben an die Unsterblichkeit. „Der Ausdruck des Glaubens ist in solchen Fällen ein Ausdruck der Bescheidenheit in objektiver Absicht, aber doch zugleich der Festigkeit des Zutrauens in subjektiver.“ Objektiv ist dieser Glaube weniger als eine Hypothese (s. d.). „Das Wort Glauben aber geht nur auf die Leitung, die mir eine Idee gibt, und den subjektiven Einfluß auf die Beförderung meiner Vernunfthandlungen, die mich an demselben festhält, ob ich gleich von ihr nicht imstande bin, in spekulativer Absicht Rechenschaft zu geben.“ Freilich hat der doktrinale Glaube „etwas Wankendes“ in sich, durch die Spekulation verlieren wir ihn oft, um dann allerdings immer wieder zu ihm zurückzukehren, KrV tr. Meth. 2. H. 3. Abs. (I 679—682—Rc 832—836). Anders steht es mit dem „moralischen“ Glauben. Hier ist der Zweck (die Sittlichkeit) schlechterdings notwendig, und es ist „nach aller meiner Einsicht“ nur eine einzige Bedingung möglich, unter welcher dieser Zweck mit allen Zwecken zusammenhängt und dadurch „praktische Gültigkeit“ habe, nämlich, daß ein Gott und eine künftige Welt sei; auch weiß ich ganz gewiß, daß niemand andere Bedingungen dieser Einheit der Zwecke kennt. So werde ich „unausbleiblich ein Dasein Gottes und ein künftiges Leben glauben“, und bin sicher, „daß diesen Glauben nichts wankend machen könne, weil dadurch meine sittlichen Grundsätze selbst umgestürzt würden, denen ich nicht entsagen kann, ohne in meinen eigenen Augen verabscheuungswürdig zu sein“. Diese Überzeugung ist „nicht logische, sondern moralische Gewißheit, und da sie auf subjektiven Gründen (der moralischen Gesinnung) beruht, so muß ich nicht einmal sagen: es ist moralisch gewiß, daß ein Gott sei usw., sondern: ich bin moralisch gewiß usw. Das heißt: der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner moralischen Gesinnung so verwebt, daß, so wenig ich Gefahr laufe, die letztere einzubüßen, ebensowenig besorge ich, daß mir der erste jemals entrissen werden könne.“ Es ist dies ein „Vernunftglaube“. Es gibt auch einen „negativen“ Glauben, aus bloßer Furcht vor einem göttlichen Dasein und einem zukünftigen Leben und dem Nichtwissen, daß kein solches Dasein und Leben besteht. Ein solcher Glaube bewirkt nur das Analogon der Moralität, indem er den Ausbruch der bösen Gesinnung mächtig zurückhalten kann, ibid. (I 682 ff.—Rc 836 ff.). Das menschliche Gemüt nimmt aber ein „natürliches Interesse an der Moralität“. „Befestigt und vergrößert dieses Interesse. und ihr werdet die Vernunft sehr gelehrig und selbst aufgeklärter finden, um mit dem praktischen auch das spekulative Interesse zu vereinigen. Sorget ihr aber nicht dafür, daß ihr vorher, wenigstens auf dem halben Wege, gute Menschen macht, so werdet ihr auch niemals aus ihnen aufrichtiggläubige Menschen machen!“ ibid. Anm. (I 684—Rc 838)

Das (auf Pflicht gegründete) Bedürfnis der reinen praktischen Vernunft führt zu Postulaten, zu welchen das Postulat des Daseins Gottes gehört, das eine Voraussetzung der Möglichkeit des höchsten Guts (s. d.) ist. Dieses notwendige Bedürfnis läßt den Rechtschaffenen sagen: „ich will, daß ein Gott, daß mein Dasein in dieser Welt auch außer der Naturverknüpfung noch ein Dasein in einer reinen Verstandeswelt, endlich auch, daß meine Dauer endlos sei, ich beharre darauf und lasse mir diesen Glauben nicht nehmen; denn dieses ist das einzige, wo mein Interesse, weil ich von demselben nichts nachlassen darf, mein Urteil unvermeidlich bestimmt, ohne auf Vernünfteleien zu achten, so wenig ich auch darauf zu antworten oder ihnen scheinbarere entgegenzustellen imstande sein möchte“, KpV 1. T. 2. B. 2. H. VIII (II 180 ff.). „Es ist Pflicht, das höchste Gut nach unserem größten Vermögen wirklich zu machen; daher muß es doch auch möglich sein: mithin ist es für jedes vernünftige Wesen in der Welt auch unvermeidlich, dasjenige vorauszusetzen, was zu dessen objektiver Möglichkeit notwendig ist. Die Voraussetzung ist so notwendig als das moralische Gesetz, in Beziehung auf welches sie auch nur gültig ist“, ibid. 2. Anm. (II 183). Dieser reine praktische Vernunftglaube ist aber „nicht geboten, sondern als freiwillig zur moralischen (gebotenen) Absicht zuträgliche, überdem noch mit dem theoretischen Bedürfnisse der Vernunft einstimmige Bestimmung unseres Urteils ... selbst aus der moralischen Gesinnung entsprungen“, ibid. (II 185 f.). Daß wir keine eigentliche Erkenntnis Gottes haben, ist zweckmäßig; denn statt des Streits, den jetzt die moralische Gesinnung mit den Neigungen zu führen hat, in welchem allmählich die moralische Stärke der Seele zu erwerben ist, würden „Gott und Ewigkeit mit ihrer furchtbaren Majestät“ uns unablässig vor Augen liegen, und es würde dann das Gute meist aus Furcht, nur weniges aus Hoffnung, gar nichts aus Pflicht geschehen. Dann würde ein moralischer Wert der Handlungen, „worauf doch allein der Wert der Person und selbst der der Welt in den Augen der höchsten Weisheit ankommt“, gar nicht existieren. Es zeigt sich hier wie sonst, „daß die unerforschliche Weisheit, durch die wir existieren, nicht minder verehrungswürdig ist in dem, was sie uns versagte, als in dem, was sie uns zuteil werden ließ“, ibid. IX (II 186 ff.).

„Gegenstände, die in Beziehung auf den pflichtmäßigen Gebrauch der reinen praktischen Vernunft (es sei als Folgen oder als Gründe) a priori gedacht werden müssen, aber für den theoretischen Gebrauch derselben überschwenglich sind, sind bloße Glaubenssachen.“ Sie beruhen auf einem freien Fürwahrhalten und sind nur als solche mit der Moralität des Subjekts vereinbar. Es sind dies das höchste Gut, das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit als Gegenstände der reinen Vernunft in praktischer Absicht. Dieser Glaube ist ein moralischer Glaube, der die Spekulation nicht erweitert; „Postulate“ (s. d.) der praktischen Vernunft sind hier gegeben, „Annahmen“ in praktischer Beziehung für den „moralischen Gebrauch“ unserer Vernunft. „Glaube (als habitus, nicht als actus) ist die moralische Denkungsart der Vernunft im Fürwahrhalten desjenigen, was für das theoretische Erkenntnis unzugänglich ist. Er ist also der beharrliche Grundsatz des Gemüts, das, was zur Möglichkeit des höchsten moralischen Endzwecks als Bedingung vorauszusetzen notwendig ist, wegen der Verbindlichkeit zu demselben als wahr anzunehmen; obzwar die Möglichkeit desselben, jedoch ebensowohl auch die Unmöglichkeit, von uns nicht eingesehen werden kann. Der Glaube (schlechthin so genannt) ist ein Vertrauen zu der Erreichung einer Absicht, deren Beförderung Pflicht, die Möglichkeit der Ausführung derselben aber für uns nicht einzusehen ist (folglich auch nicht die der einzigen für uns denkbaren Bedingungen).“ Der Glaube ist „ein Vertrauen auf die Verheißung des moralischen Gesetzes; aber nicht als eine solche, die in demselben enthalten ist, sondern die ich hineinlege, und zwar aus moralisch hinreichendem Grunde“. Der moralische Glaube ist „ein freies Fürwahrhalten ... dessen, was wir zum Behuf einer Absicht nach Gesetzen der Freiheit annehmen“. Ungläubig ist, wer den Vernunftideen, weil es ihnen an theoretischer Begründung ihrer Realität fehlt, darum alle Gültigkeit abspricht, KU § 91 (II 342 ff.).

Der „reine Religionsglaube“ ist ein „bloßer Vernunftglaube“, „der sich jedermann zur Überzeugung mitteilen läßt“. Ein bloß auf Fakta gegründeter „historischer Glaube“ hingegen kann seinen Einfluß nicht weiter ausbreiten, „als soweit die Nachrichten in Beziehung auf das Vermögen, ihre Glaubwürdigkeit zu beurteilen, nach Zeit- und Ortsumständen hingelangen können“. Alle Offenbarung ist ein historischer, nicht ein reiner Vernunftglaube. Eine Form des historischen Glaubens ist der „Kirchenglaube“, der auf das geht, wie Gott in einer Kirche (s. d.) verehrt sein wolle, also auf eine statutarische, uns nur durch Offenbarung kund werdende Gesetzgebung (vgl. Religion). Der Kirchenglaube ist nur durch die Schrift aufzubewahren, und diese muß nach moralischen Grundsätzen ausgelegt werden, Rel. 3. St. 1. Abt. V (IV 117—122). Es gibt keine andere Norm des Kirchenglaubens als die Schrift und keinen anderen Ausleger desselben als „reine Vernunftreligion und Schriftgelehrsamkeit“ ibid. VI (IV 131). „Der allmähliche Übergang des Kirchenglaubens zur Alleinherrschaft des reinen Religionsglaubens ist die Annäherung des Reiches Gottes“ (vgl. Kirche). Damit ist der „seligmachende Glaube“ verbunden, d. h. der Glaube jedes „einzelnen, der die moralische Empfänglichkeit (Würdigkeit) mit sich führt, ewig glückselig zu sein“. Dieser Glaube enthält „zwei Bedingungen seiner Hoffnung der Seligkeit“, nämlich den Glauben an eine „Genugtuung (Bezahlung für seine Schuld, Erlösung, Versöhnung mit Gott)“, und den Glauben, „in einem ferner zu führenden guten Lebenswandel Gott wohlgefällig werden zu können“, ibid. VII (IV 132 ff.). Im Unterschiede von „Kirchenglauben“, der auf „Statuten“ beruht, ist der „Religionsglaube“ derjenige, „der auf inneren Gesetzen beruht, die sich aus jedes Menschen eigener Vernunft entwickeln lassen“, Str. d. Fak. 1. Abs. II. Anh. einer Erläuterung.. I. (V 4, 77).

Vom Übersinnlichen (s. d.) gibt es keine theoretisch-dogmatische Erkenntnis, auch keine Wahrscheinlichkeitserkenntnis, sondern nur eine „praktisch-dogmatische“ Erkenntnis, die vom Meinen sowohl als vom Wissen unterschieden ist. „Die Bedeutung dieses, vom Meinen und Wissen unterschiedenen, als eines auf Beurteilung in theoretischer Absicht gegründeten Fürwahrhaltens, kann nun in den Ausdruck Glauben gelegt werden, worunter eine Annehmung, Voraussetzung (Hypothesis) verstanden wird, die nur darum notwendig ist, weil eine objektive praktische Regel des Verhaltens als notwendig zum Grunde liegt, bei der wir die Möglichkeit der Ausführung und des daraus hervorgehenden Objektes an sich zwar nicht theoretisch einsehen, aber doch die einzige Art der Zusammenstimmung derselben zum Endzweck subjektiv erkennen.“ Ein solcher Glaube ist das Fürwahrhalten eines theoretischen Satzes, z. B. „es ist ein Gott“, durch praktische Vernunft (s. Gott). Der Glaube hat „an sich einen moralischen Wert, weil er ein freies Annehmen enthält“, weil er ein „freies Fürwahrhalten“ ist (vgl. Als ob, Realität). Der Glaube der Vernunft ist eine vernunftmäßige Annahme zu praktisch-sittlichem Zwecke, Fortschr. d. Metaph. 2. Abt. Auflösung der Aufgabe I (V 3, 128 ff.). Es gibt keinen „theoretischen Glauben an das übersinnliche“. „In praktischer (moralisch-praktischer) Bedeutung aber ist ein Glaube an das Übersinnliche nicht allein möglich, sondern er ist sogar mit dieser unzertrennlich verbunden“, V. e. vorn. Ton 4. Anm. (V 4, 13).

„Das Glauben oder das Fürwahrhalten aus einem Grunde, der zwar objektiv unzureichend, aber subjektiv zureichend ist, bezieht sich auf Gegenstände, in Ansehung deren man nicht allein nichts wissen, sondern auch nichts meinen, ja auch nicht einmal Wahrscheinlichkeil vorwenden, sondern bloß gewiß sein kann, daß es nicht widersprechend ist, sich dergleichen Gegenstände so zu denken, wie man sie sich denkt. Das übrige hierbei ist ein freies Fürwahrhalten, welches nur in praktischer a priori gegebener Absicht nötig ist, — also ein Fürwahrhalten dessen, was ich aus moralischen Gründen annahm, und zwar so, daß ich gewiß bin, das Gegenteil könne nie bewiesen werden.“ Das Glauben ist „kein besonderer Erkenntnisquell“, es vertritt nur die Stelle einer Erkenntnis, ohne selbst Erkenntnis zu sein, Log. Einl. IX (IV 74 ff.). Der Vernunftglaube ist „bloß eine Voraussetzung der Vernunft in subjektiver, aber absolut notwendiger praktischer Absicht“. Der Glaube an die Erreichbarkeit des höchsten Gutes wird vorausgesetzt, ibid. 1. Anm. (IV 75 f.). Beim Glauben kommt es nicht auf objektive Gründe, sondern auf das moralische Interesse des Subjektes an. Der praktische „moralische Vernunftglaube“ ist allein ein eigentlicher Glaube; er kann sich nie zum Wissen erheben. Der „sogenannte historische Glaube“ ist eine Art des theoretischen oder logischen Fürwahrhaltens und kann selbst ein Wissen sein, ibid. 2. Anm. (IV 80).

„Das Prinzip der Selbsterhaltung der Vernunft ist das Fundament des Vernunftglaubens, in welchem das Fürwahrhalten eben den Grad hat als beim Wissen, aber von anderer Art ist, indem es nicht von der Erkenntnis der Gründe im Objekt, sondern von dem wahren Bedürfnis des Subjekts in Ansehung des theoretischen sowohl als praktischen Gebrauchs der Vernunft hergenommen ist. Es bleibt immer Glauben, niemals wird’s Wissen und ist auch als das erstere für Geschöpfe am zweckmäßigsten. — Das Wissen blähet auf (wenn es Wahn ist), aber das Wissen bis zu den Grenzen desselben (Sokrates) macht demütig“, N 2446; vgl. 2447 ff., 2770 f. Vgl. Religion, Christentum, Bibel, Annahme, Postulate, Theologie, Überzeugung, Fürwahrhalten, Kritik, Übersinnlich, Glaubenssätze.