Behandlung

Behandlung. (Zeichnende Künste) Durch die Behandlung versteht man die, jedem Künstler besondere, Art, den Pinsel und andere Werkzeuge des Zeichnens zu führen, insofern sie dem Werk einen eigenen Charakter eindrückt. So kann der Kupferstecher ein Gesicht durch Punkte oder durch kleine abgesonderte Striche oder durch Schraffirungen oder durch gerade herunterlaufende Parallellinien, wie Pitteri tut; oder durch eine einzige im Zirkel herum laufende Linie, nach Mellans und Turneisers Art, herausbringen. Eben so kann der Maler die mechanische Führung des Pinsels auf vielerlei Arten abändern: einer setzt die Farben kühn neben einander und überlässt der Entfernung, in welcher das Gemälde soll gesehen werden, diese Farben in einander zu schmelzen: ein anderer arbeitet sie mit dem Pinsel so in einander, dass keine besonders kann erkennt werden. Fast jeder Maler hat seine eigene Art zu verfahren, aus welcher seine Hand kann erkennt werden.

Derselbige Gegenstand kann auf mehr als eine Art gut behandelt werden; doch ist die Behandlung nicht allemal gleichgültig. Eine Hauptbetrachtung verdient ihre Beziehung auf den Ausdruck. Sie kann etwas charakteristisches in Absicht auf denselben haben und insofern muss sie ihm gemäß sein. Es wäre ein großer Fehler, wenn eine Behandlung, die den Charakter der Anmutigkeit mit sich führt, zu einem Gemälde von strengem heftigem Inhalt gewählt würde; so wie es unschicklich wäre eine kühne Behandlung, die Feuer und Heftigkeit verrät, zu einem Gemälde von sanftem Inhalt zu wählen. Dies ist die vornehmste Betrachtung, die der Künstler zu machen hat.

Vollkommene Meister der Kunst müssen ihre Hand jedem Inhalt gemäß regieren und wie ein großer Kenner von Wille sagt: mit Rigaud Rigaud und mit Netschern Netscher sein können [Betrachtungen über die Malerei von Herrn von Hagedorn S. 766]. Auch hierin hat der Künstler die Natur zur Lehrerin anzunehmen, die jedem der beiden Geschlechter ihre eigene Schönheit gegeben und das ernstere Gesichte des Mannes nie mit den lieblichen Farben der weiblichen Schönheit bestreut. Wie der Dichter seinem Vers Weichlichkeit oder eine strengere Harmonie gibt, nachdem es der Inhalt erfordert, so muss auch der Maler und so der Kupferstecher verfahren. Wer nur eine einzige Art der Behandlung in seiner Gewalt hat, muss auch bloß Arbeiten von einer Gattung des Inhalts, machen. Ein Mieris oder Gerhard Dow muss keine Schlachten, und ein Bourguignon keine Szenen eines bloß lieblichen Inhalts malen.

Und so wird auch ein verständiger Kupferstecher, der sich einmal eine Behandlung angewöhnt hat, sich wohl hüten Gemälde zu unternehmen, deren Charakter seiner Behandlung zuwider ist. In den schönen Künsten ist nichts mannigfaltiger als die Behandlungen des Grabstichels und der Radiernadel; dabei sind verschiedene Arten so genau charakteristisch, dass man mit einiger Zuverläßigkeit sagen kann, sie seien zu gewissen Gattungen des Inhalts die besten. So kann man gewiss sagen, dass die Behandlung des Waterlo zu der Art der Landschaft, die er gewählt hat, die beste und dass Callots Behandlung zu kleinen Figuren von lebhaftem Charakter, die beste sei.

Diese Materie verdient von einem großen Kenner in ihrer ganzen Ausdehnung bearbeitet zu werden. Diejenigen, die großen Gallerien vorgesetzt sind und große Kupfersammlungen unter Händen haben, könnten die besten Beiträge dazu liefern: die Arten der Behandlung, die in ihrer Gattung vollkommen sind, sollten auf das fleißigste bemerkt und so wohl ihr Charakter als die besondere Art des Ausdrucks, dazu er sich schickt, bestimmt werden.

Nächst dem Ausdruck muss die Behandlung auch in Rücksicht auf die äußerlichen Umstände in Erwägung gezogen werden. Was bestimmt ist in der Ferne gesehen zu werden, es sei klein oder groß, muss diesem Umstande gemäß behandelt werden und so auch nach anderen zufälligen Bedingungen. Diese Betrachtung aber ist leichter als die erstere und fast jeder Kenner, der über die ausübende Malerei geschrieben hat, ist über diesen Punkt mit Nutzen nach zu lesen. Man sehe unter anderen Richardsons Traitté de la peinture, in dem Abschnitt von der Behandlung; Hagedorns Betrachtungen über die Malerei, die 53, 54 und 55 Betrachtung; Lairessens Malerbuch und die vortreflichen Anmerkungen des L. da Vinci, die französisch unter dem Titel Traitté de la peinture herausgekommen sind. In diesen beiden Werken sind die Anmerkungen über die Behandlung sehr zerstreut, aber von so großer Wichtigkeit, dass es sich der Mühe wohl lohnt, sie zusammen zu suchen.

Wegen der Kupferstiche kann Florent le Comte in dem 1. Teil; die neue von Cochin besorgte Ausgabe von Abr. Bossens Werk und die aus dem Englischen übersetzte Abhandlung von Kupferstichen, welche kürzlich (1768.) in Leipzig heraus gekommen ist, nachgelesen werden.


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