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Wie machen wir einander das Leben leichter?

Klug sein!

Wir machen uns das Leben leichter, indem wir

a) nett zueinander sind. Es ist nämlich nicht nur anständiger, höflich und freundlich gegen seinen Nebenmenschen zu sein – es ist auch unendlich praktischer. Wenn jeder ein Stückchen nachgibt, geht alles viel leichter, geölter, glatter.

Wir machen uns das Leben leichter, in dem wir

b) uns nicht einbilden, dass eine »Bestimmung«, ein Paragraph, eine Verordnung für die Kleinigkeiten des Alltags auf jeden Fall bis zur endgültigen Niederlage des andern führen müsse. Das ist ein deutscher Aberglaube. Glatt durch die Straße fahren kann man nicht, wenn man immerzu »recht« haben will. In jedem Deutschen steckt so viel Schutzmann – man muß einmal erleben, mit welchen Luchsaugen eine ganze Straße aufpaßt, ob das Auto auch richtig rechts fährt, und wenn es gar eine Dame ist, die chauffiert, dann bekommen die Leute eine Temperatur von 37,9, wenn sie einen Fehler macht. Das merkwürdigste dabei ist, dass die Polizei, besonders in den kleinen und mittleren Städten, eine Menge gescheiter und vernünftiger, ruhiger Beamten aufweist, die sehr gut verstehen, dass man zwar den bösen Willen und die grobe Unachtsamkeit immer, die kleinen Fehler aber fast niemals zu bestrafen braucht – das regelt sich von selbst.

Wir machen uns das Leben leichter, indem wir

c) endlich einmal einsehen, was das ganze westliche Ausland längst eingesehen hat, dass das Leben kein »Dienst« ist und wir keine Dienstmänner.

Der Deutsche weiß nicht, wie unhöflich das ist, was er »sachlich« nennt. Niemand hat in einer großen Stadt Zeit, Kratzfüße zu machen und schönen Frauen – mitten auf dem Damm – die Reverenz zu erweisen, das ist klar. Aber der harte Kasernenhofton, den man noch überall in Deutschland antreffen kann; die Beziehungslosigkeit des Sprechenden zu seinem Gesprächspartner; die Kälte im Blick und die Kälte im Ton –: das Leben wird dadurch nur immer schwerer, und es ist gar nicht sachlich und gar nicht »dienstlich«, sondern nur ungezogen und unerträglich.

Wir machen uns das Leben endlich leichter, indem wir

d) öfter fünf grade sein lassen, auch, wenn es einmal unser Geld kostet. Die Deutschen sind schlechte Verlierer – ihr kennt diesen Typus vom Skattisch her; da gibt es Leute, die können und können nicht verlieren, dann werden sie ungemütlich. Finden wir aber einmal eine Firma, die nach einem Einkauf sagt: »Wir wollen gar nicht untersuchen, ob das Ihre oder unsere Schuld ist, wir nehmen die Ware zurück, weil uns an Ihrer Kundschaft liegt!« – so wird sich das in fast allen Fällen rentieren: Kulanz ist immer ein gutes Geschäft. Aber davon sind wir noch weit entfernt …

Und kann man sich bei kleineren Schadenersatzansprüchen, wenns nicht gleich an die Existenz geht, nicht in Güte einigen? »Recht muß Recht bleiben!« Dieses »Recht« aber ist bei der Kleinheit der Beträge fast immer böseste Prinzipienreiterei und bitterstes Unrecht, das nur zur Schikane wird. Ist denn das eine Niederlage, wenn ich mich mit einem andern einige: Jeder von uns beiden soll die Hälfte des Schadens tragen? Ist es wirklich eine Niederlage – ?

Das Leben wird nicht leichter dadurch, dass sich jeder einbildet, er sei eine Ritterburg für sich – »reichsunmittelbar« ist ein altes deutsches Ideal und ein schlechtes dazu. Subordiniert – das ist die schlechte Arbeit von gestern. Koordiniert – das ist die gute Arbeit von morgen.

Peter Panter
Der Mittag, 09.04.1929.