Zum Hauptinhalt springen

Über die Nennung von Frauennamen

» … die Dunhillpfeife, die mir Muschi in einem Anfall von Größenwahn geschenkt hat … «

Manchmal braucht unsereiner einen Frauennamen.

»Eine Dame«, »ein Mädchen«, das hört sich so abstrakt an, so falsch-geheimnisvoll; da sagen wir schon lieber: Grete oder Margot oder Charlottchen … da weiß man doch. Aber welche Namen sind da zu nennen?

Das richtet sich in erster Linie nach dem Rhythmus des Satzes. Manchmal paßt ›Hilde‹ besser als ›Marie‹ – das kann man kaum begründen, man muß es wittern. Das ist leicht auszuprobieren. Aber –: seien die Namen irgendwelche Namen, oder dürfen es Namen aus dem Leben des Herrn Verfassers sein? Dies ist ein weites Feld.

Sind es Namen von nahestehenden Frauen, so sieht es für die Freunde immer aus, als wolle man den kühnen Edschmid kopieren, was schwerfallen dürfte – der Mann ist eine Original-Imitation. Sind die Namen also Anspielungen, so schmeckt dergleichen leicht nach: »Ich kann es gar nicht aushalten vor lauter Harem!« und das ist doch nicht der Zweck der Übung. Auch hat die Namensnennung noch mannigfache andere Nachteile.

Sage ich zum Beispiel ›Musch‹ – dann macht Lottchen Krach. Sie hätte auch geschenkt, und von ihr stände überhaupt nichts in der ›Vossischen Zeitung‹ (was ja sichtlich deren einziger Daseinszweck ist) – und was mir einfiele, und überhaupt. Ja … nun … sie hat geschenkt, das ist wahr. Mir schenken sie nicht viel – man muß wohl dazu geboren sein. Was zum Beispiel mein Freund Karlchen ist, der lebt, glaube ich, von dem, was sie ihm so schenken. Das der Mann noch keinen Wandergewerbeschein hat, liegt nur daran, dass er bei der Polizei ist und sie selber ausstellt; und da er sich kennt, so ist er sich nicht vertrauenswürdig genug. Gut. Also mir schenken sie nur das Nötigste. Lottchen hat geschenkt:

1 Papierkragen

3 Stück Seidenstrümpfe

1 Schachtel Grammophonnadeln

2 bezaubernde Manschettenknöpfe (zum Glück umtauschbar) – u. a.

Wofür sich ein Troubadour erkenntlich zu zeigen hat – früher durch Verabfassung und Aufführung einer kleinen Nachtmusik, unter gleichzeitiger Gestellung einer Laute – heute durch die Nennung des Namens. »Ich saß gerade mit Fanny beim Lunch … « und dann eine Geschichte, die auch nicht das leiseste mit Fanny zu tun hat, aber genannt ist sie, und zärtlich streicht sie dem Literasten über die hoffentlich hohe Stirn. »Frauen«, hat jener Franzose gesagt, »inspirieren den Mann zu großen Taten und hindern ihn, sie auszuführen.«

Frauen dienen gern als Modell. Aber sie nehmen es übel, wenn der Herr Künstler andere Frauen als Modell benutzt; das soll er nicht. Wobei sie sehr oft übersehen, dass dieses sanfte Spiel ein schwacher Liebesersatz ist; wenns gar nicht geht –: ein Gedicht kann man noch immer auf die Dame machen. Und das befriedigt, schmeichelt der Eitelkeit, ist überhaupt nett … und manchmal hilfts auch. Trotzdem erscheint mir die Eifersucht der Frauen übertrieben, wenn sie jeder die Augen auskratzen wollen, die im Roman, auf den Bildern, in den Opern des Mannes erkennbar vorkommt. Von einem sehr bekannten Zeichner der Vorkriegszeit erzählte man sich, seine Frau habe ihm die Modelle überhaupt verboten, und es wird nicht gemeldet, ob er nun immer nach dem Gedächtnis oder nur noch nach ihr zeichnen durfte. Es ist mitunter nicht leicht …

Es ist sogar sehr schwer, wenn sie alle voneinander wissen. Wie macht ihr das –? Bei mir wissen immer alle meine Bräute voneinander, weil ich ein feiner Psychologe bin. Da habe ich also in der berühmten Kriminalnovelle E. A. Poes gelernt, wenn man eine Sache ganz besonders gut verstecken will, dann soll man sie mitten ins Zimmer legen, da sucht sie keiner. Das ist richtig; da sucht sie keiner. Aber da findet sie jeder. Und so liegen denn Briefe, Bilder und was so ist, mitten in der Landschaft herum, und nachher verfluche ich meinen sträflichen Leichtsinn, und ich habe auch nicht jene Geistesgegenwart Pallenbergs, dem einmal in einer Posse seine dortige Frau einen Schlüpfer aus der Manteltasche zog, mit dem Donnerruf: »Was ist das?« – »Das ist ein Papagei!« sagte er. Ja, er ist eben »ein alter Casanovian« (wobei dieser geniale Sprachzerstörer und Schöpfer mit einem einzigen Buchstaben einen Namen getötet hat).

Du aber sollst keine andern Göttinnen haben, neben ihr. Du sollst nur sie und dann sie und dann noch einmal sie abmalen; als Ergänzung: sie – und vielleicht auch noch: sie. Welch eine Diktatur! Ja, Lottchen, du wirst genannt. Ja, Lottchen, es soll nie mehr ein Feuilleton erscheinen, in dem ich dich nicht durch die Presse ziehe; ja, Lottchen. Und dann platzt Kiki. Und dann gibt es einen sehr lustigen, einen sehr rasiermessrigen, einen sehr eigenwürdigen und merktümlichen Briefwechsel mit Putty. Und nun möchte ich so gern Ninon de Lenclos zitieren, aber ich traue mich nicht; denn dann rufen sie alle drei: »Wer ist das? Ach, erzähl mir doch nichts … !« Und so bleibt mir nur übrig, diese Ausführungen mit dem abschließenden Wort Alfred Polgars zu beenden, der, aufgefordert, eine Monographie der Frau zu schreiben, antwortete, bisher sei ihm dazu nur ein einziger Satz eingefallen:

»Alle zu wenig – und eine zu viel.«

Peter Panter
Vossische Zeitung, 14.07.1929, Nr. 328.