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Der § 45

der »Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen« besagt:

»Gefangene, von denen ein schädlicher Einfluß auf Mitgefangene zu befürchten ist, sind nach Möglichkeit in Einzelhaft oder in Zellenhaft zu halten. Gefangene, die ihre Mitgefangenen erheblich belästigen, sind aus der Gemeinschaftshaft bei Nacht nach Möglichkeit fernzuhalten.«

Worauf es im § 46 leider heißt:

»Angehörige der Wehrmacht sind nach Möglichkeit in Einzelhaft oder in Zellenhaft oder doch getrennt von andern Gefangenen unterzubringen.« Hier stutzt der Fachmann.

Steht zu befürchten, dass der Wehrmann von seinen mörderlichen Mitgefangenen in der Gemeinschaftshaft ungünstig könnte beeinflußt werden? Stecken sie ihn an –? Oder besteht die berechtigte Sorge, dass jener die Räuber nun auch noch zur Tötung von Menschen anreizen könnte? Steckt er sie an? Es ist gar nicht einfach im menschlichen Leben.

Immerhin ist diese Sorge für Angehörige der Wehrmacht rührend; die Kirche zum Beispiel genießt solches Vorrecht nicht, und wenn etwa ein Kaplan wegen Schändung seiner Beichtkinder ins Zuchthaus kommt, so steht nirgends geschrieben, dass er gesondert unterzubringen sei. Angehörige der Wehrmacht, scheints, müssen in allen Fällen bei Gold und Silber aufbewahrt werden – noch im Zuchthauskittel ist der ehemalige Soldat etwas höchst Zerbrechliches.

Es ist immerhin verwunderlich, dass bei dem ausgeprägten Gruppengeist dieses Volkes die andern Berufe und Stände nicht eine ähnliche Vergünstigung für sich beanspruchen, wie sie hier dem Soldaten dargeboten wird. Der Angehörige der Wehrmacht gehört in die Einzelhaft. Und die Technischen Nothelfer? Und die Juristen – Gerichtsvollzieher und Rechtsvollzieher – die gucken in den Mond? Das ist ein schweres Unrecht.

Immerhin wissen wir jetzt, warum die Angehörigen der schwimmenden und über den außerordentlichen Etat laufenden Wehrmacht sittlich so rein sind. Sie haben nie mit Gewohnheitsverbrechern in einer Zelle gesessen.

So unverdorben wie die bin ich noch alle Tage. Gehe ich nach Tegel, so will ich erbitten, dass man mich mit einem Angehörigen der Wehrmacht in eine Zelle lege. Für den Mann kann ich nicht garantieren. Aber ich will euch wieder herauskommen, derart vorn beziehungsweise hinten sittlich geläutert, dass es ein helles Vergnügen sein wird und meiner Einstellung in den höhern Justizdienst, etwa als Justizwachtmeister, demnach nichts mehr im Wege steht.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 21.05.1929, Nr. 21, S. 798.