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Wenn der Henker Wohnung sucht

Herr Deibler, der »Monsieur de Paris«, seines Zeichens Scharfrichter, hat eine Wohnungsklage auf dem Hals, und dabei erfuhr man dann, dass er eine Wohnung suche. Er hat zwar eine, aber die ist zu hoch gelegen; die alten Knochen wollen nicht mehr so … Und er hat auch ein Häuschen, und in das wolle er ziehen, könne aber nicht, müsse jedoch … eine so lange Geschichte! Die ist nicht wichtig.

Nur der Mann ist kurios. Der sehr anständig und adrett aussehende ältere Herr mit dem Vollbart ist eine durchaus offizielle, ja historische Persönlichkeit – und die ganze Sinnlosigkeit dieser Einrichtung, von der er lebt und andere sterben, wird offenbar, wenn man sich die kleinen Privatfreuden und -leiden des Mannes vorstellt. Dann ist auf einmal alles grauslich lächerlich.

Der darf. Andere dürfen nicht. Tun sie es, darf er. Dann drückt er auf einen Knopf, das Messer fällt, der Kopf auch, aus.

Die Franzosen, die in ihrem übergroßen Rationalismus ein ganz merkwürdiges, uns unbegreifliches Verhältnis zum Tode haben, haben schon ihre frechen Witze über den wohnungslosen Henker gerissen. Man sah auf einer Zeichnung einen Mann im Block liegen, darüber das Messer in der Luft, davor Deibler. »Und was ich Sie noch fragen wollte … « sagt Deibler. »Wo wohnen Sie –?«

Übrigens können sich Kriminalisten in Frankreich davon überzeugen, dass es mit der »abschreckenden Wirkung der Todesstrafe« nichts ist – sie bleibt ein tolpatschiger Behelf, wo das Denken versagt. Ich wünsche dem Henker von Paris drei Wohnungen mit einem Mal und möglichst wenig Spaziergänge am frühen Morgen.

Peter Panter
Tempo, 23.01.1929.