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Fiat

Mussolini, diese ölig-scharfe Frucht aus italienischem Boden, eingeweckt in deutsche Konservengläser, fix und fertig zum Gebrauch für deutsche Landwirte, Landgerichtsräte und Stahlfabrikanten – Mussolini ist drauf und dran, einen moralischen und nun auch gesetzlichen Boykott gegen fremde Autos zu verhängen. Die Italiener sollen sich italienische Wagen kaufen: die seien sehr gut. Verflucht sei, so da anrollt mit einem Hispano oder mit einem Maybach … ! Hm.

Die Fiat-Werke sollen recht gute Wagen herstellen; ich will einmal annehmen, sie seien sogar außergewöhnlich gut. Aber Verbot ausländischer Wagen? Man sollte annehmen, dann wäre es nur konsequent, wenn Herr Mussolini die Ausfuhr der italienischen Wagen ins Ausland verböte. Denn er wird doch den Ausländern nicht etwas zumuten wollen, was er seinen Untertanen verbietet –!

Was Europa zerreißt und ihm diesen fürchterlichen Anblick eines ernsthaften Irrenhauses gibt, ist das wilde Nebeneinander von Epochen, die es gelten läßt: tobsüchtig gewordener Freihandel, nationale Beschränkungen und internationale Trusts, und das alles durcheinander, gegeneinander, unter- und übereinander –: eine Beerdigung mit Faschingszeremonien.

Dort soll die »nationale Idee« regieren, hier die ökonomische; hier beide, dort keine – nicht einmal davon zu sprechen, dass Mussolini wahrscheinlich die Arbeitgeber braucht, weil seine Politik zum Teil mit ihrem Geld gemacht worden ist … nun dankt er ihnen. Und nun können jawohl wir andern einen Boykott gegen Fiat arrangieren, und dann wird Fiat protestieren, und dann wird Mussolini den seinen verschärfen, und dann die andern Staaten den ihren … »Was besteht, ist vernünftig« – sagt Hegel.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 22.10.1929, Nr. 43, S. 640.