Zum Hauptinhalt springen

845. Kauderwelsch¹⁾. Rotwelsch²⁾. Unverständlich³⁾.

1) Gibberish, jargon.
2) Gipsies’, thieves’ or beggars’ cant.
3) Unintelligible.
1) Jargon, baragouin.
2) Argot.
3) Inintelligible.
1) Gergo.
2) Linguaggio furbesco.
3) Inintelligibile.

Was unverständlich ist, kann doch aus Worten bestehen, deren Bedeutung nicht unbekannt ist; es kann auch bloß wegen des Mangels an Zusammenhang oder wegen der Unklarheit der Darstellung nicht zu verstehen sein. Kauderwelsch und rotwelsch zeigen einen höheren Grad der Unverständlichkeit an; denn so nennt man eine Rede, deren einzelne Worte unverständlich sind oder die ganz und gar verworren ist. Benachbarte Völker verspotten einander gern, vorzüglich in bezug auf die Sprache; so nennt der Franzose das, was wir als kauderwelschen bezeichnen, brétonner, d. i. bretonisch reden, in Kärnthen sagt man windischen, d. i. so reden wie die windischen Nachbarn, in Schlesien polatschkern, d. i. wie die Polen reden, was auch in der Form polätschen oder palatschen in Sachsen gebraucht wird. Vgl. hierüber Hildebrand, Grimms Wb. V, 309. Ein solcher Ausdruck ist auch kauderwelsch, d. h. wie die Welschen reden (d. i. wie die Romanen, aus mhd. Walch, ahd. Walh, d. i. der Name des keltischen Volksstammes der Volcae, der im Angelsächsischen zu Wealh, im Althochdeutschen zu Walh wurde; als Walche bezeichneten unsere Altvordern die Franzosen und von althochd. Walh wurde das Adjektivum walhisc, welsch, abgeleitet; auf die Romanen ging dieser Name über, als sie in Frankreich in denselben Länderstrichen sich niederließen, welche vorher von den Kelten besetzt waren).1 Durch den Zusatz kauder wird das Wort verstärkt; im Oberdeutschen heißt kaudern Zwischenhandel treiben, mäkeln (vgl. Schmeller II, 281); ein Kauderwalch wäre demnach ein handelnder Italiener und Kauderwelsch die Sprache desselben. Dazu stimmt, daß man in Aachen für kauderwelsch auch kriemerwelsch, d. i. krämerwelsch, sagt. An oberdeutsch kauder, d. i. Werg, ist nicht zu denken. In Schillers Xenien über die deutschen Flüsse sagt die Elbe: „All ihr andern, ihr sprecht nur ein Kauderwelsch, unter den Flüssen | Deutschlands rede nur ich, und auch in Meißen nur deutsch“ (d. i. Nur ich, die Elbe, rede gutes Deutsch, und auch ich nur in Meißen; das Meißner Deutsch galt im 18. Jahrhundert als das reinste und beste). Rotwelsch (= gaunerdeutsch) ist von kauderwelsch dadurch verschieden, daß es eine Sprache bedeutet, die ausdrücklich dazu erfunden ist, daß sie nur denen verständlich sein soll, die Ursache haben, sich hinter einer geheimen Sprache zu verbergen. Es ist die Sprache, welche die Spitzbuben, Gauner und verdächtigen Bettler untereinander reden. Das Wort rotwelsch, mhd. rotwalsch, geht zurück auf die Benennung des Bettlers und Landstreichers in der Gaunersprache; dieser wird da rot genannt. Weigand setzte dagegen das Wort in bezug zu dem Adjektivum rot, da mhd. rôt auch in der Bedeutung falsch, listig, im Anschluß an rothaarig, zuweilen vorkommt, so daß rotwalsch soviel bedeute wie: betrügerische (= rôt) unverständliche (= walsch) Sprache. Weigand meint, daß der Gaunerausdruck rot nicht zugrunde liegen könne, weil der Ausdruck rotwalsch ein so hohes Alter habe; aber gerade die Gaunerausdrücke führen häufig wunderbar altes Sprachgut mit sich. Die Erklärung Weigands ist daher abzulehnen, und Herman Hirt wird diese Erklärung in der neuen Auflage, die zurzeit erst bis zum Buchstaben N vorgeschritten ist, durch die richtige Erklärung (rot = Bettler) ersetzen.


  1. In ähnlicher Weise nannten uns die Franzosen Allemands nach den Alemannen, und die Slawen nannten wir Wenden nach den östlich wohnenden Venedi (bei Tacitus).