Don Juan nach Hotho


Obgleich die Überschrift deutlich genug zu sprechen scheint, will ich doch der Sicherheit wegen darauf aufmerksam machen, dass ich nichts weniger beabsichtige, als eine ästhetische Würdigung des Stückes Don Juan, oder einen Nachweis der dramatischen Struktur des Textes. Zumal bei einem klassischen Werke ist da vorsichtig zu unterscheiden. Was ich nämlich schon im vorhergehenden öfter hervorgehoben habe, will ich hier noch einmal hervorheben, dass Don Juan sich nur musikalisch ausdrücken läßt. Nachdem ich dies selbst, mittels der Musik, an mir erfahren, habe ich auf alle Weise darüber zu wachen, dass es nicht den Anschein gewinne, als ob die Musik auf äußerliche Weise hinzutrete. Behandelt man die Sache aus solchem Gesichtspunkte, so möge man die Musik in dieser Oper noch so sehr bewundern; ihre absolute Bedeutung versteht man nicht. Von einer solchen unwahren Abstraktion hat Hotho sich nicht frei gehalten, weshalb seine Erörterung, so talentvoll sie auch ist, uns nicht befriedigt. Sein Stil, seine Darstellung, seine Reproduktion ist lebhaft und bewegt. Aber seine Kategorien sind unbestimmt und schwebend; seine Auffassung Don Juans ist nicht von einem Gedanken durchdrungen, sondern in viele aufgelöst. Auch ihm ist Don Juan ein Verführer; es wird aber nicht bestimmt gesagt, in welchem Sinne derselbe es sei. Von diesem Verführer wird nun vieles an und für sich Wahre ausgesagt; aber bei dem Vorherrschen von lauter allgemeinen Vorstellungen wird ein solcher Verführer leicht so reflektiert, dass er aufhört absolut musikalisch zu sein. Szene für Szene geht Hotho das Stück durch; das Referat, das er gibt, ist von seiner Individualität frisch durchsäuert, an manchen Stellen vielleicht zu sehr. Danach folgen dann oft sympathetische Ergießungen darüber, wie schön, wie reich und mannigfaltig Mozart alles das ausgedrückt habe. Aber bei aller lyrischen Freude darüber und ungeachtet des ihr verliehenen vortrefflichen Ausdruckes, wird Mozarts Don Juan in seiner absoluten Geltung und Bedeutung nicht anerkannt. Nach dieser Anerkennung aber strebe ich, weil sie mit der richtigen Erkenntnis dessen, was den Gegenstand unsrer Untersuchung ausmacht, identisch ist. Daher will ich nicht sowohl die ganze Oper, als die Oper im ganzen, in ihrer Totalität, zum Gegenstande der Betrachtung machen, und die einzelnen Teile nur in ihrer Verbindung mit dem Ganzen beleuchten.


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