Vorwort
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Vielleicht wandelte dich, geneigter Leser, zuweilen ein kleiner Zweifel an, ob es mit dem bekannten philosophischen Satze sich ganz richtig verhalte: »Das Äußere ist das Innere, das Innere das Äußere«. Du selbst magst ein Geheimnis bei dir bewahrt haben, von welchem du dir sagtest: es sei dir in der Freude, die es birgt, oder seinem Schmerze, allzu wert, als dass du andere in dasselbe einweihen könntest. Dein Leben hat dich vielleicht mit Menschen in Berührung gebracht, von denen du ahntest, dass so etwas in ihnen vorgehe, ohne dass du, sei's mit Gewalt, sei's durch Überlistung, im stande warst, ihr Verborgenes ans Licht zu bringen. Vielleicht trifft von den angeführten Fällen keiner bei dir oder in deinem Leben zu, und dennoch ist jener Zweifel dir nicht unbekannt; hin und wieder schwebte er wie ein flüchtiger Schatten an deiner Seele vorüber. Ein solcher Zweifel kommt und geht, und niemand weiß, woher er kommt, oder wohin er fährt. Ich an meinem Teile war über diesen Satz der Philosophie von jeher ketzerisch gesinnt, und habe mich daher früh gewöhnt, so gut ich konnte, selbst Beobachtungen und Nachforschungen anzustellen. Ich fragte auch bei solchen Autoren nach, deren Anschauungsweise ich in diesen Dingen teilte. Kurz, ich habe getan, was irgend in meiner Macht stand, um der Empfindung, welche philosophischen Schriften bei mir zurückließen, dass ihnen etwas fehle, abzuhelfen. Mit der Zeit ward das Gehör mein liebster Sinn. Denn sowie unsre Stimme die Offenbarung des für das Äußere einmal inkommensurablen Innern, so ist unser Ohr das Werkzeug, mit dem dieses Innere aufgefaßt wird, das Gehör der Sinn, durch den wir uns dieses aneignen. So oft ich nun einen Widerspruch entdeckte zwischen dem Gesehenen und dem Gehörten, jedesmal fand ich meinem Zweifel bestätigt, und meine Lust an eigner Beobachtung nahm hiedurch zu. Ein katholischer Beichtvater ist durch ein Gitter von dem Beichtkinde getrennt: er sieht nicht, er hört bloß. Und unter dem Zuhören gestaltet er sich allmählich selbst ein Äußeres, das dem Gehörten entspricht; also gerät er in keinen Widerspruch. Anders dagegen, wenn man zu gleicher Zeit sieht und hört, und dennoch ein Gitter zwischen sich und dem Redenden gewahrt. Das Resultat meiner zu solchem Zwecke angestellten Beobachtungen ist zu verschiedenen Zeiten ein sehr verschiedenes gewesen. Bald hatte ich das Glück auf meiner Seite, bald nicht; und Glück gehört immer dazu, um auf diesem Wege einige Ausbeute zu gewinnen. Indessen ging die Lust, meine Nachforschungen fortzusetzen, mir nie verloren. War ich in einem Falle nahe daran, meine Ausdauer zu bereuen, so krönte wieder in einem andern Falle das Glück meine Bestrebungen. Solch unerwartetes Glück war es, welches mich auf überaus seltsame Art in den Besitz der Papiere gesetzt hat, die ich hiemit mich beehre, dem lesenden Publikum vorzulegen. Mittels dieser Papiere bekam ich Gelegenheit, einen Einblick zu tun in das Leben zweier Menschen; und dieser Einblick bestärkte meinen Zweifel, dass das Äußere ohne weiteres auch das Innere sein solle. Besonders gilt dies von dem einen der beiden. Sein Äußeres stand mit seinem Inneren in völligem Widerspruch. Auch von dem andern gilt es bis zu einem gewissen Grade, sofern er nämlich unter einem ziemlich unbedeutenden Äußern ein bedeutendes Inneres verbarg.
Jedoch dürfte es das beste sein, dass ich der Ordnung halber zunächst erzähle, wie ich in den Besitz dieser Papiere gekommen bin. Heute ist es ungefähr sieben Jahre her, als ich bei einem Trödler hier in der Stadt einen s. g. Sekretär sah, der sogleich da erste Mal, da er mir in die Augen fiel, meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er war nicht von moderner Arbeit, ziemlich gebraucht; dennoch fesselte er mich. Für diesen Eindruck einen Grund anzuführen, ist mir unmöglich; aber etwas Ähnliches haben wohl die meisten in ihrem Leben erfahren. Mein täglicher Weg führte mich bei dem Trödler und seinem Sekretär vorüber; und niemals unterließ ich im Vorbeigehen einen Blick nach diese zu werfen. Allmählich bekam nun der Sekretär für mein Inneres eine Art Geschichte: ihn zu sehen, ward mir zu einer Notwendigkeit, und so schlug ich denn, wenn ein ungewöhnlicher Weg zu machen war, ihm zu Gefallen unbedenklich einen Umweg ein. Je öfter ich ihn betrachtete, desto stärkeres Gelüste erwachte, ihn zu besitzen. Ich sagte mir freilich das sei ein seltsames Gelüste, da ich solches Möbel schlechterdings nicht brauche. Es war Verschwendung, es anzuschaffen. Jedoch bekanntlich sind die Gelüste von sophistischer Natur. Ich machte mir bei dem Trödler ein Geschäft, fragte nach andern Dingen, und im Weggehen tat ich flüchtig auf den Sekretär ein Gebot. Ich dachte, möglicherweise schlüge der Tödler ein; so wäre es ein Zufall gewesen, der das Möbel mir in die Hände spielte. Es geschah wirklich nicht des lieben Geldes wegen, dass ich mich so benahm; nein, ich tat so meines Gewissens halber. Es mißlang: der Trödler war ungewöhnlich entschieden. Wiederum ging ich eine Zeitlang täglich vorüber und blickte mit verliebten Augen nach dem Sekretär. »Du mußt dich entschließen,« dachte ich; »gesetzt, er würde verkauft, so hättest du das Nachsehen; und selbst, wenn's dir glückte, seiner wieder habhaft zu werden, so wäre es doch immer nur hinterdrein, und du bekämest nie wieder von ihm den nämlichen Eindruck.« Mir klopfte das Herz, als ich bei dem Trödler eintrat. Der Sekretär wurde gekauft und sofort bezahlt. »Dieses soll das letzte Mal sein,« dachte ich, »dass du so verschwenderisch bist! Ja, es ist ein Glück, dass du ihn gekauft hast; denn so oft du ihn ansiehst, wirst du daran denken, wie verschwenderisch du gewesen bist; mit dem Sekretär soll in deinem Leben, deinem Haushalt ein neuer Abschnitt beginnen.« - Ach, das Gelüste weiß schöne Worte zu machen, und die guten Vorsätze sind immer bei der Hand.
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