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Rationale Psychologie

Psychologie, rationale. Aus dem „Ich denke“ (s. Ich) leitet die rationale Psychologie ihre Scheinerkenntnis her, die auf Paralogismen (s. d.) der reinen Vernunft beruht. Es gibt keine rationale Psychologie als Doktrin, nur als Disziplin, welche der spekulativen Vernunft unüberschreitbare Grenzen setzt, um sowohl dem „seelenlosen Materialismus“ als dem „im Leben grundlosen Spiritualismus“ entgegenzutreten, KrV tr. Dial. 2. B. 1. H. (I 350 ff.—Rc 419 ff.). Die (dogmatische) rationale Psychologie hält fälschlich die „Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt“ (oder die „Bedingung alles Denkens überhaupt“) für eine „synthetische Vorstellung eines Objekts“. Die logische Einheit und Einfachheit des Ich (s. d.) wird zu einem einfachen Wesen (Seelensubstanz) hypostasiert, trotzdem die Bedingungen der Erkenntnis eines solchen in der Anschauung fehlen. Diese Prädikate der Seele müßten auf Prinzipien und allgemeine Begriffe von denkenden Naturen überhaupt gegründet sein, da es sich doch um eine rationale (nicht empirische) Psychologie handelt. „An dessen Statt findet sich, daß die einzelne Vorstellung: Ich bin, sie insgesamt regiert, welche eben darum, weü sie die reine Formel aller meiner Erfahrung (unbestimmt) ausdrückt, sich wie ein allgemeiner Satz, der für alle denkenden Wesen gelte, ankündigt und, da er gleichwohl in aller Absicht einzeln ist, den Schein einer absoluten Einheit der Bedingungen des Denkens überhaupt bei sich führt und dadurch sich weiter ausbreitet, als mögliche Erfahrung reichen könnte“, KrV 1. A. tr. Dial. 2. B. 1. H. Betrachtung üb. d. Summe (I 763 ff.—Rc 490 ff.). In der Psychologie als der „Physiologie des inneren Sinnes“ kann aus dem Begriffe eines denkenden Wesens gar nichts a priori synthetisch erkannt werden, weil es im Psychischen nichts Beharrliches gibt als höchstens die bloße Form des Bewußtseins, das Ich, ibid. (I 752 f.—Rc 468 f.). Die „rationale Psychologie“ ist ein Teil der „rationalen Naturlehre“ (s. d.). Sie steht der Physik (s. d.) nach, wo das Räumliche der Gegenstände „mehr a priori vermag als die Zeitform, welche der Anschauung durch den inneren Sinn zum Grunde liegt, die nur eine Dimension hat“. „Die Begriffe vom vollen und leeren Raume, von Bewegung und bewegenden Kräften können und müssen in der rationalen Physik auf ihre Prinzipien a priori gebracht werden, indessen daß in der rationalen Psychologie nichts weiter als der Begriff der Immaterialität einer denkenden Substanz, der Begriff ihrer Veränderung und der Identität der Person bei den Veränderungen allein Prinzipien a priori vorstellen, alles Übrige aber empirische Psychologie oder vielmehr nur Anthropologie ist, weil bewiesen werden kann, daß es uns unmöglich ist, zu wissen, ob und was das Lebensprinzip im Menschen (die Seele) ohne Körper im Denken vermöge, und alles hier nur auf empirische Erkenntnis, d. i. eine solche, die wir im Leben, mithin in der Verbindung der Seele mit dem Körper erwerben können, hinausläuft, und also dem Endzweck der Metaphysik, vom Sinnlichen zum Übersinnlichen einen Überschritt zu versuchen, nicht angemessen ist“, Fortschr. d. Methaph. 2. Abt. 1. Stadium (V 3, 114 f.); N 4230 ff., 5451 ff., 6008 ff. Vgl. Paralogismen, Seele, Unsterblichkeit, Geist, Pneumatologie.