Zum Hauptinhalt springen

Primat

Primat der praktischen Vernunft. „Unter dem Primate zwischen zweien oder mehreren durch Vernunft verbundenen Dingen verstehe ich den Vorzug des einen, der erste Bestimmungsgrund der Verbindung mit allen übrigen zu sein. In engerer praktischer Bedeutung bedeutet es den Vorzug des Interesses des einen, sofern ihm (welches keinem anderen nachgesetzt werden kann) das Interesse der anderen untergeordnet ist.“ Die Vernunft bestimmt ihr Interesse (s. d.) selbst. „Das Interesse ihres spekulativen Gebrauchs besteht in der Erkenntnis des Objekts bis zu den höchsten Prinzipien a priori, das des praktischen Gebrauchs in der Bestimmung des Willens in Ansehung des letzten und vollständigen Zwecks“, KpV 1. T. 2. B. 2. H. III (II 153). „Wenn praktische Vernunft nichts weiter annehmen und als gegeben denken mag, als was spekulative Vernunft für sich ihr aus ihrer Einsicht darreichen konnte, so führt diese das Primat. Gesetzt aber, sie hätte für sich ursprüngliche Prinzipien a priori, mit denen gewisse theoretische Positionen unzertrennlich verbunden wären, die sich gleichwohl aller möglichen Einsicht der spekulativen Vernunft entzögen (ob sie zwar derselben auch nicht widersprechen müßten), so ist die Frage, welches Interesse das oberste sei“, ibid. (II 154). Ist reine Vernunft für sich praktisch, so ist es immer „ein und dieselbe Vernunft, die, es sei in theoretischer oder praktischer Absicht, nach Prinzipien a priori urteilt“; und da ist es klar, „daß, wenn ihr Vermögen in der ersteren gleich nicht zulangt, gewisse Sätze behauptend festzusetzen, indessen daß sie ihr auch eben nicht widersprechen, sie eben diese Sätze, sobald sie unabtrennlich zum praktischen Interesse der reinen Vernunft gehören, zwar als ein ihr fremdes Angebot, das nicht auf ihrem Boden erwachsen, aber doch hinreichend beglaubigt ist, annehmen und sie mit allem, was sie als spekulative Vernunft in ihrer Macht hat, zu vergleichen und zu verknüpfen suchen müsse; doch sich bescheidend, daß dieses nicht ihre Einsichten, aber doch Erweiterungen ihres Gebrauchs in irgendeiner anderen, nämlich praktischen Absicht sind...“. „In der Verbindung also der reinen spekulativen mit der reinen praktischen Vernunft zu einer Erkenntnis führt die letztere das Primat.“ Ohne Unterordnung der einen Vernunftart unter die andere bestände ein Widerspruch der Vernunft mit sich selbst. Der spekulativen Vernunft aber kann die praktische nicht untergeordnet sein, „weil alles Interesse zuletzt praktisch ist und selbst das der spekulativen Vernunft nur bedingt und im praktischen Gebrauche allein vollständig ist“, ibid. (II 155 f.); vgl. Postulate der praktischen Vernunft.