Vergleich

Vergleich. (Redende Künste) Das Wort hat zweierlei Bedeutung; aber beide drücken die Rebenoder Gegeneinanderstellung zweier Dinge aus, in der Absicht eines durch das andere zu erläutern. Was bei den römischen Lehrern der Redner allgemein Comparatio genannt wird, ist die Vergleichung zweier Dinge von einerlei Art, wodurch die Größe oder die Wichtigkeit des einen gegen das andere abgewogen wird: Man könnte sie die logische Vergleichung nennen. Eine andere Art, die eigentlich similitudo heißt, setzt Dinge von ungleicher Art, in der Absicht die Beschaffenheit der einen, aus der Beschaffenheit der anderen anschauend zu erkennen, neben einander: sie kann die ästhetische Vergleichung genannt werden.

 Die logische Vergleichung gehört unter die Beweisarten; denn sie dient uns anschauend von der Wahrheit eines Satzes zu überzeugen; wie folgendes: »Es ist ein Verbrechen einen römischen Bürger binden zu lassen, ein noch größers, ihn zu geisseln – Was denn, wenn er gar gekreuziget wird?«1 Überhaupt sind drei Arten aus Vergleichung zu beweisen, die Cicero so bestimmt: Ex comparatione – valent, quæ ejusmodi sunt: qucd in re majore valet, valeat in minore: quod in minore valet, valeat in majore: quod in re pari valet, valeat in hac quæ par est.2 Wenn es nämlich darum zu tun ist, andere zu überzeugen, dass etwas gut oder böse, erlaubt oder unerlaubt sei, so führt man bei dieser Vergleichung einen Fall an, dessen Beurteilung keinem Zweifel unterworfen ist, wobei zugleich in die Augen fällt, dass der andere Fall, über den wir urteilen sollen, jenem völlig gleich, geringer oder wichtiger sei. Wenn gezweifelt wird, ob jemand fähig sei eine gewisse böse Tat zu begehen und man kann eine unstreitig eben so böse oder noch bösere, die er wirklich begangen hat, anführen; so ist der Zweifel gehoben.

 Diese Vergleichung ist im Grunde nichts anders als die Anführung eines Beispieles oder eines ähnlichen Falles und hat die größte Kraft überzeugend zu beweisen. Oft fällt es in die Augen, dass die vergliechenen Fälle ähnlich sind und das Urteil über den einen ist völlig entschieden; dann bedarf die Sache keiner weiteren Ausführung; es ist da genug, dass die Vergleichung kurz angeführt werde. Wo es aber nicht in die Augen fällt, dass die Fälle völlig ähnlich sind; da muss der Redner die Ähnlichkeit der Fälle beweisen. Dann ist die ganze Rede im Grunde nichts anders als eine ausführlich behandelte Vergleichung.

 Hier ist nur die Rede von kurzen Vergleichungen, die keiner Ausführung bedürfen. Sie sind also die kürzesten und leichtesten Arten zu beweisen, die allen anderen Beweisarten vorzuziehen sind. Diese Vergleichung aber ist mehr ein Werk des Verstandes, als des Geschmacks und gehört mehr in die Logik als in die Ästhetik.

 Die ästhetische Vergleichung ist ein kurzes und gleichsam im Vorbeigehen angeführtes Gleichnis,3 als wenn man sagt: Schönheit verblühet wie die Rose; oder etwas ausführlicher, wie wenn Haller von der Ewigkeit sagt:

Wie Rosen, die am Mittag jung Und welk sind vor der Dämmerung; So sind vor dir der Angelstern und Wagen. Zur ästhetischen Vergleichung wird also ein Bild genommen, das nur genannt oder in dem, was den eigentlichen Punkt der Vergleichung (das so genannte tertium comparationes) betrifft, kurz beschrieben wird, in der Absicht dass aus dem Anschauen desselben, die Beschaffenheit des Gegenbildes richtiger oder sinnlicher oder lebhafter erkannt oder empfunden werde.

 Von dem Gleichnis unterscheidet sie sich sowohl durch die ihr eigene Kürze als besonders dadurch, dass man bei der Vergleichung Bild und Gegenbild unzertrennt neben einander stellt und von jenem nichts mehr sehen lässt als was man in diesem will sehen lassen: da hingegen in dem Gleichnis die Beschreibung des Bildes ausführlicher und über die Notdurft ausgedehnt ist, so dass man eine Zeitlang das Bild allein mit einigen Verweilen und von dem Gegenbild abgesondert, betrachtet; als wenn man schon daran allein Gefallen hätte.

  Doch gibt es auch Vergleichungen, die etwas länger gedehnt sind und sich vom eigentlichen Gleichnis mehr durch gewisse Enthaltsamkeit in der Zeichnung des Bildes unterscheiden. Folgende Vergleichung scheint gradeauf der Grenze, wo das Gleichnis anfängt, zu stehen. »Warum frägst du großmütiger Sohn des Tydeus nach meinem Geschlechte? Wie die Blätter der Bäume, so sind die Geschlechter der Menschen: Jetzt wähet der Wind alles Laub ab; denn treibt im Frühling der grünende Baum wieder neues hervor: So ist die Fortpflanzung der Menschen; ein Geschlecht wird jetzt geboren, das andere vergeht.«4

Quasi piscis, itidem est amator lenæ; nequam est nisi recens: Is habet suecum, is suavitatem, eum quovis pacto Vel patinarium, vel assum verres quo pacto lubet.5

 Der erste Vers ist zur Vergleichung völlig hinreichend; der Zusatz der beiden anderen verrät ein garstiges, schwatzhaftes Weib von niedrigem Geschmack, das der Dichter hier schildern wollte.

 Die ästhetische Vergleichung ist in Absicht auf ihre Wirkung von dreierlei Art: sie dient zum klaren richtigen Sehen als eine Aufklärung und ist dann ein Werk des Verstandes; oder zum angenehmern Sehen als eine Verschönerung und hat ihren Grund in der Phantasie; oder endlich zum lebhafteren Sehen als eine Verstärkung und rührt von lebhafter Empfindung her. In allen Fällen muss das Bild sehr bekannt und geläufig sein, damit es seine Wirkung schnell tue.

  Für die aufklärende Vergleichung muss die Beschaffenheit des Bildes, aus der wir das Gegenbild, wie in einem Spiegel sehen sollen, völlige Ähnlichkeit mit diesem haben und sehr hell in die Augen fallen. Haller sagt von den ehemaligen rauen Scandinavieren, dass sie die friedlichen Einwohner des südlichen Europa als eine Beute ansehen, die von der Natur für sie geschaffen wäre, wie für den Sperber die Taube geschaffen sei.6 Diese Vergleichung ist überaus geschickt, die Begriffe die er uns geben wollte, in vollkommener Klarheit darzustellen. Sehr bekannt und geläufig ist das Bild des Sperbers, der die Taube als einen ihm von der Natur bestimmten Raub hascht. Die halb thierische Rauhigkeit der Scandinavier, ohne Bedenken und ohne die geringste Rücksicht auf Recht oder Unrecht, auf unbewehrte Nachbaren loszugehen, wird mit völliger Richtigkeit und Klarheit in dem Bild sinnlich erkannt. Diese Vergleichung hat überall statt, wo man auf eine populare Art zu lehren hat. Die umständliche Entwicklung der Begriffe durch den eigentlichen Ausdruck hat immer etwas schwerfälliges und ist, wo man nicht mit Personen, die im abstrakten Denken geübet sind, spricht, dunkel. Darum ist es, wo man für viele schreibt, sehr notwendig die Begriffe durch Vergleichungen aufzuklären.

 Man muss aber dabei den Grad der Aufklärung oder die Kenntnis und die Fähigkeiten derer, mit denen man spricht, genau vor Augen haben. Sehr geübte Denker lieben nicht, dass ihnen das, was sie ohne Bild bestimmt und genau genug sehen, durch Vergleichungen aufgeklärt werde. Für diese kann man nicht schnell genug denken; sie wollen alles geradezu und auf das Kürzeste vernehmen. Deswegen haben die Vergleichungen in strengem dogmatischen Vortrage selten statt. So bald man aber mit Menschen zu tun hat, die mehr des anschauenden als des entwickelten Denkens gewohnt sind, muss man sich der aufklärenden Vergleichungen öfters bedienen. Doch ist insofern darin Maß und Ziehl zu halten, dass man sie nur bei etwas schwerern Hauptbegriffen zu Hilfe nehme. Wenn sie zu oft, ohne Not vorkommen, so denkt der Zuhörer man traue seiner Fähigkeit zu begreifen gar zu wenig; deswegen werden sie ihm anstößig. Dieses erfährt man beim Lesen des Ovidius nur allzu ofte. Diese Vergleichung erfordert auch noch die genaue Sorgfalt von dem Bilde nichts zu zeichnen, als was wesentlich zu dem eigentlichen Punkt der Vergleichung gehört. Bei der Wahl und Erfindung der zu dieser Vergleichung dienenden Bilder, kommt es hauptsächlich darauf an, dass ihre Ähnlichkeit mit dem Gegenbilde vollständig sei oder dass sie uns dieses ganz mit allen dazu gehörigen wesentlichen Begriffen abzeichnen. Man sieht bisweilen, dass zu Aufklärung eines einzigen Begriffes mehr Vergleichungen gebraucht werden, wo eine einzige besser gewählte hinlänglich gewesen wäre.

Reizend erschienst du dem Auge Darthulens. Dem östlichen Lichte Gliech dein Gesicht, der Schwinge des Raben dein

       Haupthaar. Die Seele War dir erhaben und mild, wie die Stunde der scheidenden Sonne.

Sanft wie die Lüstchen im Schilfe, wie gleitende

Fluren im Lora War dein Gespräch. Doch wenn sich die Wut des

Gefechtes empörte Gliechst du der stürmenden See 7.

Hier sind eine Menge Vergleichungen hinter einander. Jede schildert nicht den Gegenstand, den der Dichter zeichnen, sondern den Eindruck, die besondere Art der Empfindung, die er wollte fühlen lassen. Nicht das Gesichte des Jünglings gliech der aufgehenden Sonne; sondern die fröhliche Empfindung die Darthula bei dem Anschauen fühlte, gliech dem Eindruck, den die aufgehende Sonne macht, u.s.w.

 Empfindungen sind etwas so einfaches, dass es nicht möglich ist sie anderen zu erkennen zu geben als wenn man sie in ihnen erweckt. Wo man also denkt, sie würden sie bei Vorzeigung eines Gegenstandes nicht haben, da zeigt man ihnen einen anderen gewöhnlichern Gegenstand, von dem man mit Gewissheit denselben oder einen ähnlichen Eindruck erwarten kann. Sie dienen also überhaupt Empfindungen nach ihren besonderen Charaktern zu erwecken und man wählet dazu sehr bekannte Gegenstände, die in ihren Wirkungen auf das Gemüte mit dem Gegenbilde übereinkommen. Hier kommt es mehr auf ein ganz feines Gefühl und eine sehr lebhafte Einbildungskraft als auf Beurteilung an. Darum lieben die Dichter diese Vergleichungen vorzüglich. Sie schicken sich auch nur da, wo man angenehm unterhalten und rühren will. Die Bilder müssen sehr bekannt sein, damit sie mit wenig Strichen sich der Einbildungskraft lebhaft darstellen und man muss des ganz besonderen (specivischen) Eindrucks, den sie auf empfindsame Gemüter machen, sehr gewiss sein. Sie scheinen sich mehr zu Reden und Gedichten von einem etwas gemäßigten Ton als zu denen von ganz heftigem Affekt zu schicken. Denn in diesem ist das Feuer zu stark um sich bei Vergleichungen zu verweilen; die Bilder gehen in Metaphern oder Allegorien über.

  Wo man eine Vorstellung oder Empfindung nicht bloß schildern, sondern nachdrücklicher sagen will, da fällt man auf Vergleichungen der dritten Art, die darum etwas hyperbolisches oder übertriebenes haben. Man braucht Bilder die stärker rühren als das Gegenbild. So vergleicht man einen in Wiederwärtigkeiten standhaften Mann, mit einem Felsen, der gegen die tobenden Wellen des Meeres unbeweglich steht; von einem Menschen, der heftig erschrikt, sagt man, er sei wie vom Gewitter getroffen; und so sagt Horaz von dem rechtschaffenen Mann, er fürchte sich mehr vor einer schändlichen Handlung als vor dem Tode. Die Vergleichungen dieser Art können bis zum Erhabenen steigen. Sie müssen aber etwas sparsamer als die anderen Arten gebraucht werden, es sei denn, dass durchaus in der Rede oder dem Gedichte, wo sie gebraucht werden, ein ganz heftiger Affekt herrsche. Denn dieser vergrößert alles.

 Es gibt auch possierliche Vergleichungen, die das Lächerliche verstärken, wovon ein großer Reichtum von Beispielen in Buttlers Hudibras anzutreffen ist. Sie sind meistenteils so beschaffen, dass bei der Vergleichung etwas widersprechend scheinendes vorkommt, das ihnen das Lächerliche gibt: große Sachen werden mit kleinen, ernsthafte mit scherzhaften vergliechen oder das Bild hat etwas so gar sehr von der Art des Gegenbildes verschiedenes, dass nur eine seltsame, possierliche Einbildungskraft die Ähnlichkeit entdeckt. Sie geben den Spottreden eine besondere Schärfe.

  Was wir überhaupt von Erfindung der Bilder angemerkt haben,8 gilt auch von Erfindung der Vergleichungen, daher wir uns hierbei nicht besonders verweilen dürfen.

 

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1 Cic. Orat. in Verrem. V.

2 Cic. in Topic.

3 S. Bild. Gleichnis.

4 Il. Z. vs. 145. f. f.

5 Plaut. Asinar. Act. I. sc. 3.

6 Alfred. 1 B.

7 Darthula.

8 S. Allegorie, Bild.

 


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