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Metapher und Hyperbel

Ich möchte bei dieser Gelegenheit erklären, warum ich hier scheinbar ordnungslos für alle Bilder der Sprache bald den Ausdruck Metapher, bald wieder das Wort Hyperbel gebraucht habe. Hyperbel heißt eigentlich Überschuß, was in der mathematischen Anwendung des Wortes seinen guten Sinn hat. Aber auch in der Rhetorik scheint mir jede bildliche Vergleichung aus der Absicht hervorzugehen, die Anschauung des schlichten Wortes durch Anregung eines Gefühlsüberschusses lebhafter zu machen. Gewöhnlich nennt man nur die Übertreibung eine Hyperbel; die ernst gemeinten Übertreibungen der orientalischen Poesie (auch bei Viktor Hugo. beim jungen Schiller) behagen uns nicht mehr; bei Shakespeare stoßen die ernst gemeinten Übertreibungen oft ab, während die parodistischen uns entzücken. Die Hyperbel im engeren Sinne gehört nicht mehr zu unseren Bildern. Die Hyperbel im weiteren Sinne, der Überschuß, das surplus, liegt aber dem schönen Schein der Anschauung immer zu Grunde, den die poetische Sprache sucht. Es hat sich im Dichter jedesmal mit einem bestimmten Worte ein Gefühlswert assoziiert; der See lächelt, der Stern ist glückverheißend. Er kann diese seine Assoziation nur mitteilen, wenn er entweder das mit einem Gefühlswerte überlieferte Wort anwendet oder ein Wort mit einem anderen Bilde verbindet, um den Gefühlswert wieder neu und stärker zu erzeugen. Je nach der Seelensituation des Hörers löst das Wort oder die Wortgruppe die gewünschte Stimmung aus oder ist eine banale Redensart oder ein hohler Wortschwall. Eine wirkliche Anschauung liegt gar nicht zu Grunde. Es fällt dem Dichter gar nicht ein, sich mit der ererbten poetischen Sprache auf Erfahrung zu berufen, höchstens auf die literarische Erfahrung des Lesers. Unsere poetische Sprache hat eine ganze Menge tönender Worte, die durchaus nicht mehr besagen als unser "sehr", das doch selbst einmal (engl. sore) an heftige Schmerzen erinnerte. Himmel und Hölle werden dazu in Bewegung gesetzt. Himmelschön ist nichts weiter als sehr schön, todsicher nichts weiter als sehr sicher, stockfinster (von Stock = Gefängnis) nichts weiter als sehr finster, riesengroß sehr groß, schlau wie der Teufel nichts anderes als sehr schlau; und wie der Teufel wird "Heide" benützt: Heidengeld, Heidenangst. In diesen Beispielen ist es ganz gleichgültig, ob man an Himmel und Teufel glaubt oder nicht, ob man die Etymologie von "stock" kennt oder nicht. Luther pflegte zu erzählen, daß ein Landsknecht, der wegen seines greulichen Fluchens gescholten wurde, beteuerte, er habe das ganze Jahr nicht an Gott gedacht, geschweige denn bei ihm geflucht. Der Flucher denkt nicht an Gott, der Poet hat keine Anschauung. Nur ein leiser Gefühlswert unterscheidet himmelschön von sehr schön.

Dieses "sehr", das selbst wieder nur den Gefühlswert der Heftigkeit hat, liegt jeder Hyperbel zu Grunde, sowohl der zur Redensart gewordenen, wie der neu erfundenen. (Der Gefühlswert der Heftigkeit ist bei "sehr" verloren gegangen; ganz frisch ist er noch in "arg", wo es landschaftlich im Sinne von "sehr" gebraucht wird, wie z. B. "es hat mich arg gefreut, so arg gut war das Fleisch nicht". Noch bei Luther war "arg", ursprünglich vielleicht "karg" oder feige, das moralisch Minderwertige, das Schlimme; später das Starke.) Es ist ein Zufall der Sprachgeschichte, ob das ererbte Hyperbelwort poetische Stimmung mit enthalte oder nicht. Wenn wir einem Kinde sagen: "Das habe ich dir schon tausendmal verboten", so liegt nur Heftigkeit in der Hyperbel, aber keine Spur von der poetischen Stimmung, welche z. B. die Veden mit dem Gebrauche großer Zahlen zu verbinden scheinen. Der Superlativ, wie er namentlich im Italienischen hyperbolisch gebraucht wird, und wie Goethe ihn in seiner Alterssprache gern, doch erfolglos nachahmt, ist bald Redensart, bald Poesie.