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Dante

Man glaube nicht, die Vergleichung mit einem Dichtersmann, der sein Werk aus Zitaten zusammensetze, sei bloße Phantasie. Als Virgilius für den ersten aller Dichter und zugleich für einen Zauberer galt, da wurden im gelehrten Europa Gedichte angefertigt, die nur aus Kombinationen von Virgilworten bestanden und doch christliche und andere damals moderne Gegenstände behandelten. Man lese einmal vorurteilsfrei die berühmte Vita nuova Dantes, die nur wenige Jahrzehnte nach der jüngeren Edda entstanden ist. Es ist, als ob die Skalda zugleich im äußersten Norden wie in Italien geherrscht hätte. Der junge Dante hat noch nicht gelernt, was er später so groß konnte: seine Vorstellungen mit dem lebendigsten Worte ausdrücken. Tief in dem Wortaberglauben der Scholastiker befangen, sucht er mühsam das Einfachste künstlich zu umschreiben und sagt z. B. gleich anfangs anstatt: "Ich war neun Jahre alt, als ich die achtjährige Beatrice zum erstenmal sah" das folgende Ungeheuer: "Schon zum neuntenmal war seit meiner Geburt der Himmel des Lichts beinahe zu demselben Punkte wiedergekehrt, und zwar in seinem eigenen Kreislauf, als mir zum erstenmal die verklärte Herrin meines Geistes erschien, die von vielen, die nicht wußten wie sie sie nennen sollten, Beatrice genannt wurde; sie war damals schon so lange in diesem Leben gewesen, daß während ihrer Zeit der Sternenhimmel sich um den zwölften Teil eines Grades gen Osten bewegt hatte." Für die gebildeten Zeitgenossen Dantes, die mit ihm eine gemeinsame Seelensituation und unter anderem eine gemeinsame Astronomie und Zeitrechnung besaßen, war diese Umschreibung nicht so schwer verständlich wie für uns; aber abgeschmackt war sie doch schon vor sechshundert Jahren.  

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