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Malerei

Die Kunst der Farbe oder der Malerei ist ganz gewiß nicht von der Farbe ausgegangen, sondern von der Umrißzeichnung. Aber die Decadence der Malerei neigt entschieden zur Farbensinfonie, wie in ganzen Gruppen der Richtung, die sich vorläufig und verlegen Sezession nennt; wie aber viel absichtsloser schon bei Makart. Wenn eine solche Farbensinfonie einmal wirklich gar nichts Gegenständliches darstellen wollte, so hätten wir etwas, was fast der Kochkunst an die Seite zu stellen wäre. Ernsthaft. Aber die allgemein verbreitete Malerei ist doch etwas ganz anderes. Nämlich so.

Die drei zuerst genannten Sinne wecken gar nicht oder nur nebenher objektive Vorstellungen von der Welt. Die Fingerspitze, die Samt anfaßt, der Gaumen, der Erdbeeren schmeckt, die Nase, die Veilchen riecht, haben eigentlich nur ein spezifisches Wohlgefühl, und selbst wenn die Vorstellungen Samt, Erdbeeren oder Veilchen ausgelöst werden, so bleiben sie völlig isoliert. Höchstens durch eine hinzukommende fremde Erinnerung kann in einem lyrischen Gemüte die Vorstellung des Weibes im schwarzen Samtkleid etwa auftauchen, mit dem man in die Erdbeeren oder in die Veilchen gegangen ist. Ganz anders das Gesicht. Das menschliche Auge, das in seiner Urgestalt nicht mehr und nicht weiter sah, als die Nase riecht, damals, als das Urauge noch keine Linse besaß und nicht seine übrigen optischen Erfindungen — das jetzige Doppelfernrohr im luxuriös ausgestatteten Menschenkopf umfaßt bei jeder Wendung ein stattliches Weltbild, soweit das Licht die Welt zu deuten vermag. Die Kunst der Malerei, der Sinnenreiz durch Farben und Licht beschränkte sich früher darauf, die Vorstellung ansprechender Gegenstände durch Formen und Farben wieder zu wecken. Immer mehr gelangte man aber dazu, Naturstimmungcn wiedergeben zu können. Man lernte Farben differenzieren, die man früher nicht sah. Und es ist für mich kein Zweifel, daß unser Augenapparat immer noch verfeinert wird, wie er durch Millionen Jahre verfeinert worden ist. Es ist für mich kein Zweifel, daß hervorragende Maler mehr sehen, als ihre Vorgänger, und daß sie ihre Zeitgenossen lehren, gleichfalls mehr zu sehen. Bei uns sind so, von Franzosen beeinflußt, Uhde und Liebermann dabei, das Sehorgan der Menschheit zu verbessern, wenn sie auch bei ihren Experimenten selber etwas von der Gesundheit des eigenen Apparates eingebüßt haben. Doch das nur nebenbei; uns soll ja die Malerei wie die übrigen Künste nur über die Wortkunst und so über die Sprache aufklären.

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