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Poesie und Logik

Wir haben ja bisher geglaubt, der Sinn, der Satz, der Gedanke entstehe oder besser bestehe aus dem logischen Ge-füge von Worten oder Begriffen. Wir haben doch der Sprache die Fähigkeit zugeschrieben, das Denken zu vermitteln oder gar zu bereichern. Wie nun, wenn — wie wir jetzt schon erfahren — der Zusammenhang, d. h. der Sinn, der Gedanke, der Satz erst das Wort erklären muß? Ist das nicht das Eingeständnis, daß alles Gesagte Tautologie ist und sein muß, daß wir nichts sagen und verstehen können, als was wir schon wissen, daß das Ganze früher da ist als die Teile, der Satz früher als das Wort? Daß also die gesamte alte Schullogik die Wahrheit auf den Kopf stellt?

Diese schlimmen Gedanken werden den Leser festzuhalten suchen, wenn auf weiterer Strecke des langen gemeinsamen Weges die Kritik der Sprache zur Kritik der Logik werden wird. Hier will ich aber nur darauf hinweisen, daß auch diese wahrhaft grauenhafte Entdeckung nur erklären hilft, warum die Sprache wohl ein herrliches Kunstmittel, aber ein elendes Erkenntniswerkzeug ist. Denn der Dichter will immer nur eine Stimmung mitteilen. Seine Seelensituation. Was der Stimmung zu Grunde liegt, das Wirklichkeitsbild, hält die Poesie nur zusammen, wie der Strick einen Rosenkranz. Mag auch (wie es immer wieder vorkommt) falsch aufgefaßt werden, nach der Seelensituation des Lesers oder Hörers übersetzt; schadet gar nicht viel. Der Vorgang wird durch sinnliche Vorstellung wirklich musivisch zusammengefaßt, die Stimmung kann durch das erste Wort angeschlagen werden. Die nachfolgenden Worte können also beim Dichter wirklich durch die ersten erläutert werden.