Reinlichkeit
9) Eltern und Erzieher haben ganz besonders darauf zu sehen, dass ihre Kinder und Zöglinge sich an Reinlichkeit gewöhnen; denn der Mensch kann sich nur dann wahrhaft wohl befinden, wenn er reinlich ist. Dagegen zieht er sich durch Unreinlichkeit nicht bloß mancherlei innerliche und äußerliche Krankheiten zu, sondern wird auch zum Abscheu und Widerwillen Anderer. Zur vollständigen Reinlichkeit gehört nun, dass man ebenso gut die mit den Kleidern verhüllten, als die für gewöhnlich unbedeckt bleibenden Teile des Körpers und die gesamte Kleidung, Leibwäsche und Alles, was Einen umgibt, immer möglichst frei von Schmutz erhält und, wenn sie schmutzig geworden sind, sorgfältig wieder reinigt.
Man muss daher, um den Körper selbst gehörig rein zu halten, nicht bloß das Gesicht, die Hände und, wenn man barfuss geht, die Beine täglich, sondern auch die übrigen Teile des Leibes wöchentlich wenigstens einmal mit Wasser waschen und mit einem, wo möglich wollenen Tuche wieder trocken reiben. Am besten geschieht das Reinigen des ganzen Körpers — sagt Siebenhaar — durch das Baden, und es war eine sehr heilsame Sitte unserer früheren Vorfahren, die wieder aufkommen sollte, dass Jedermann, besonders die Handwerker, welche die Woche über im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdient hatten, Sommer und Winter regelmäßig alle Sonnabende ins Bad gingen, um sich zu reinigen (s. oben Bäder). — Es würden dann Gliederreißen, krankhafte Empfindlichkeit der Nerven, Krämpfe, Hautausschläge verschiedener Art u. s. w. nicht so gewöhnliche Leiden der Menschen sein, als man dies jetzt beobachtet. — Gewöhnlich ist zwar die Seife zum Reinigen der Haut nicht nötig, wenn man den Schmutz nicht zu sehr hat überhand nehmen lassen, doch kann man sich ihrer auch ohne Nachteil für die Gesundheit bedienen. Die wohltätigste Wirkung haben übrigens im Allgemeinen die kühleren Bäder, besonders des Sommers die von der Sonne erwärmten Flusswasser. Dabei muss jedoch die Vorsicht angewendet werden, dass man sich vorher ganz abkühlt, und vor dem Einsteigen ins Bad die Stirn, den Nacken und die Brust mit dem Flusswasser wäscht. Auch darf man nur so lange im Bad bleiben, als man sich darin behaglich fühlt, und muss bei eintretendem Gefühle des Schauerns dasselbe sogleich verlassen, sich schnell abtrocknen, ankleiden und ein Stück Weges gehen, um durch und durch wieder warm zu werden.
Eine besondere Sorgfalt erfordert die Reinhaltung einzelner Teile des Körpers. Diese sind die Kopfhaare, die Ohren, die Augen, die Nase, der Mund, die Nägel und die Füße.
Die Kopfhaare müssen alle Morgen ausgekämmt, von allem Staube und Schmutze, namentlich auch den Hautschuppen, welche sich bei manchen Menschen in großer Menge abschilfern, gereinigt und, man mag sie lang oder verschnitten tragen, in ihre gehörige Ordnung gebracht werden. Von Zeit zu Zeit ist es nötig, dass man den behaarten Teil des Kopfes auch mit frischem Wasser wäscht. Gewöhnlich scheidet sich zwar die natürliche Fettigkeit, welche die Haare geschmeidig erhält, und die diesen durch das Waschen und Abtrocknen geraubt worden ist; bald von selbst auf der Haut wieder aus; doch kann man auch den Haaren zuweilen so viel frisches Mandelöl oder von einer Mischung aus diesem Öle und rohem Rindsmarke geben, als nötig ist, um die etwa vorhandene Trockenheit und Sprödigkeit derselben zu beseitigen, ohne dadurch die Schweißlöcher der Kopfhaut zu verstopfen und die nötige Ausdünstung aus ihnen zu unterdrücken. Nie aber wende man hierzu andere, mit scharfen Stoffen versehene Haarpomaden an, die oft das Ausfallen der Haare bewirken und der Gesundheit leicht noch andere Nachteile bringen können.
Je mehr Falten und Vertiefungen an den äußeren Ohren sind, in welche sich Staub und Schmutz setzen können, desto sorgfältiger muss man diesen fast alltäglich abwaschen. Auch sind die äußeren Gehörgänge (Ohrlöcher) öfters mit einem knöchernen oder hölzernen Ohrlöffel oder auch mit einer Haarnadel, um die dünnes Leinenzeug gewickelt ist, rein zu machen. Bei diesem Reinigen hat man indes sehr vorsichtig zu verfahren. Denn, wenn die innere Haut des Ohres zu stark gereizt und durch ein tiefes Einbohren wohl gar das zarte Trommelfell stark berührt wird, so können sich die genannten Teile leicht entzünden und Störungen im Gehör daraus entstehen. Überdies darf das Ohrenschmalz nicht ganz rein ausgewischt werden, weil die gelbe, klebrige Masse von der Natur dazu bestimmt ist, das Ohr gegen den unmittelbaren Eindruck der äußeren Luft und vor dem Eindringen von Insekten und Würmern zu schützen. In ähnlicher Weise wie die Ohren, muss man die Augen alle Morgen und so oft es um des Staubes willen am Tage nötig ist, mit frischem, reinem Wasser auswaschen und dabei vorzüglich die inneren Augenwinkel berücksichtigen, da sich in diesen der ausgesonderte Schleim und Schmutz abzusetzen pflegen.
Ferner erfordert es die Reinlichkeit, dass man die Nase so oft schneutzt, als sich Schleim in derselben angesammelt hat. Wer dies vernachlässigt, bekommt leicht einen üblen Geruch aus der Nase und eine undeutliche Sprache. Zum Schneutzen oder Ausschnauben müssen jedoch nicht die bloßen Finger und die Schürzen oder Röcke, sondern leinene Schnupftücher gebraucht werden. Sehr ekelhaft und ungesund ist es aber, wenn man den Nasenschleim mit Gewalt in die Höhe zieht und ausspuckt oder wohl gar hinunterschluckt. Deshalb müssen jeden Morgen sogleich nach dem Aufstehen der Mund gehörig ausgespült und die Zähne mit den bloßen Fingern oder besser noch mit einer nicht zu scharfen Zahnbürste von allen Seiten rein abgerieben werden. Denn an den Zähnen pflegt sich vorzüglich Schleim und allerhand Schmutz als sogenannter Weinstein anzusetzen, was einen Übeln Geruch aus dem Mund verursacht und nach und nach die Zähne brandig (hohl) und schmerzhaft macht. Übrigens wird das Reinigen der Mundhöhle am besten bloß mit kaltem oder etwas verschlagenem Wasser verrichtet. Will man sich aber dazu noch besonderer Reinigungsmittel bedienen, so kann man den Mund zuweilen mit einer Mischung von gleichen Teilen Kornbranntwein und Weinessig ausspülen und die Zähne jedesmal mit Pulver aus gut geglühten Kohlen eines weichen, vorzüglich Lindenholzes, oder aus gebrannter Brotrinde abputzen. Dagegen ist vor dem Gebrauch aller Arten von Zahnpulver aus sandigen und scharfen Bestandteilen, so wie der Zahnstocher, welche nicht aus Holz, Fischbein und ähnlichen Stoffen, sondern aus Metall gefertigt sind, zum Entfernen zwischen den Zähnen stecken gebliebener Reste von Speisen sehr zu warnen; denn hierdurch wird, die nur dünne Glasur abgerieben und eine der Hauptveranlassungen zum Erkranken der Zähne gegeben.
Das Verschneiden der Nägel an den Fingern ist nicht bloß der bei uns einmal herrschenden Sitte und das der Zehen des bequemern Ganges in den Schuhen, sondern auch der Reinlichkeit wegen nötig, da es äußerst widrig aussieht, wenn sich unter den Fingernägeln Schmutz beendet, und man nicht ohne Grund hiervon auch auf die Beschaffenheit des ganzen übrigen Körpers zu schließen pflegt. Was endlich die Füße anlangt, so haben sie schon an und für sich und besonders auch in ihrer wärmeren Bekleidung einen übelriechenden Schweiß. Man muss sie daher stets sehr reinlich halten, teils um diesen Geruch, teils auch um das Wundwerden zu verhüten. Doch haben die Personen, welche an stärkeren Fußschweißen leiden, sich vor jeder, bei unvorsichtigem Abwaschen der Füße leicht möglichen Erkältung sehr in Acht zu nehmen. Auch dürfen sie sonst weder absichtlich, noch ohne Absicht etwas tun, wodurch diese für die allgemeine Gesundheit oft höchst wohltätig vermehrte Schweißabsonderung gewaltsam unterdrückt werden könnte, da die Erfahrung zur großen Warnung für Jedermann gelehrt hat, dass hieraus gewöhnlich schlimme Krankheiten, namentlich Gliederreißen und Schwindsucht, selbst Blindheit entstehen.