- Erste Fassung
 - Zweite Fassung
 
Der Abschied
Erste Fassung
Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
     Da wirs taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
           Ach! wir kennen uns wenig,
                 Denn es waltet ein Gott in uns.  
Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
     Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
           Schutzgott unserer Liebe,
                 Dies, dies Eine vermag ich nicht.  
Aber anderen Fehl denket der Menschen Sinn,
     Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
           Und es fodert die Seele
                 Tag für Tag der Gebrauch uns ab.  
Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit der gewurzelte
     Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt,
           Muß, mit Blut sie zu sühnen,
                 Muß der Liebenden Herz vergehn.  
Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
     Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
           Hin ins Einsame ziehe,
                 Und noch unser der Abschied sei!  
Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
     Heilgen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
           Mit dir trinke, daß alles,
                 Haß und Liebe, vergessen sei!  
Hingehn will ich. Vielleicht seh' ich in langer Zeit
     Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
           Dann das Wünschen und friedlich
                 Gleich den Seligen, fremd sind wir,  
Und ein ruhig Gespräch führet uns auf und ab,
     Sinnend, zögernd, doch itzt faßt die Vergessenen
           Hier die Stelle des Abschieds,
                 Es erwarmet ein Herz in uns,  
Staunend seh' ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
     Wie aus voriger Zeit, hör' ich und Saitenspiel,
           Und befreiet, in Lüfte
                 Fliegt in Flammen der Geist uns auf.
Der Abschied
Zweite Fassung
Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
     Da wirs taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
           Ach! wir kennen uns wenig,
                 Denn es waltet ein Gott in uns.  
Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
     Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
           Schutzgott unserer Liebe,
                 Dies, dies Eine vermag ich nicht.  
Aber anderen Fehl denket der Weltsinn sich,
     Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
           Und es listet die Seele
                 Tag für Tag der Gebrauch uns ab.  
Wohl! ich wußt' es zuvor. Seit die gewurzelte
     Ungestalte, die Furcht Götter und Menschen trennt,
           Muß, mit Blut sie zu sühnen,
                 Muß der Liebenden Herz vergehn.  
Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
     Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
           Hin ins Einsame ziehe,
                 Und noch unser der Abschied sei!  
Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
     Heilgen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
           Mit dir trinke, daß alles,
                 Haß und Liebe, vergessen sei!  
Hingehn will ich. Vielleicht seh' ich in langer Zeit
     Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
           Dann das Wünschen und friedlich
                 Gleich den Seligen, fremde gehn  
Wir umher, ein Gespräch führet uns ab und auf,
     Sinnend, zögernd, doch itzt mahnt die Vergessenen
           Hier die Stelle des Abschieds,
                 Es erwarmet ein Herz in uns,  
Staunend seh' ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
     Wie aus voriger Zeit, hör' ich und Saitenspiel,
           Und die Lilie duftet
                 Golden über dem Bach uns auf.

























