3. Boethius. Ende der antiken Philosophie


Im weströmischen Reiche scheint sich der Neuplatonismus mehr in seiner reineren, plotinischen Form erhalten zu haben. Sein letzter Vertreter ist hier der zu Athen gebildete edle Römer Boethius (480-525), der bekanntlich auf Theoderichs Befehl hingerichtet wurde. Obwohl er äußerlich dem Christentum angehört haben soll, ist doch seine Schrift De consolatione philosophiae (ed. Peiper, Lpz. 1871), die er sich selbst zum Trost, in Prosa abwechselnd mit Versen, im Kerker niederschrieb, zwar von echt religiösem, aber nicht christlichem, sondern antikem Geiste durchweht. Sie weist eine Mischung von gemäßigtem Neuplatonismus und Stoizismus auf. Ihr Grundgedanke ist die Besiegung aller Affekte durch die Vernunft und das Vertrauen auf Gottes Vorsehung. Durch seine zahlreichen, lateinisch geschriebenen Kommentare und Übersetzungen, besonders der logischen Schriften des Aristoteles und Porphyrius, ist er ein einflußreicher Lehrer des christlichen Mittelalters geworden. In diese Periode, das Mittelalter, sind wir jetzt der Zeit nach bereits eingetreten. Und bald sollten die Reste der kümmerlich dahinsiechenden griechischen Philosophie auch ihr äußerlich sichtbares Ende finden. Im Jahre 529 hob Kaiser Justinian die Philosophenschule zu Athen durch kaiserliche Verordnung als unchristlich ausdrücklich auf, zog ihr nicht unbeträchtliches Vermögen ein und verbot für die Zukunft alle Vorträge hellenischer Philosophie. Der letzte Schulleiter, Damascius und sechs seiner Genossen, darunter Simplicius, wanderten nach Persien aus, wo sie in König Chosroës einen der Philosophie freundlich gesinnten Herrscher zu finden hofften, kehrten aber bald enttäuscht zurück. Die antike Philosophie blieb fortan Sache der Gelehrsamkeit, bis sie im Anfang der neueren Zeit zu neuem Leben erwachen sollte.


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