1. Logik


Die stoische Logik hat zwei Teile: Rhetorik und Dialektik. Die Rhetorik handelt auch von Grammatik, Musiktheorie und Poetik. Die Stoiker unterschieden Worte oder »Zeichen« (»Bezeichnendes«) und Gedanken oder »Bezeichnetes«. Von ihnen rühren zum großen Teil die üblichen grammatischen Bezeichnungen her. Philosophisch wichtiger ist der zweite Teil: die Dialektik, und in ihr wieder die Lehre von den Normen oder Kriterien und ihrer Entstehung, eine Art Erkenntnistheorie auf psychologischer Grundlage. Hier sind sie, was man bei den Vertretern einer idealistischen Tugendethik auf den ersten Blick nicht erwartet, wesentlich sensualistisch. Bei der Geburt gleicht die Seele einer unbeschriebenen Tafel, in die sich die Außendinge »wie Siegel in das Wachs« eindrücken (typôsis) und so Vorstellungen (phantasiai) hervorrufen. Von diesen bleiben in der Seele Erinnerungsbilder zurück; durch deren Verknüpfung und Vergleichung entsteht die Erfahrung. Geschieht dies in kunstloser Weise, »von selbst«, wie z.B. im Kindesalter, so entstehen die allen gemeinsamen Begriffe (koinai ennoiai) oder »natürlichen Vorannahmen« (emphytoi prolêpseis), die jedoch erst durch die künstlichen Entwicklungen der Logik, nämlich Urteile und Schlüsse, zur wahrhaften Erfassung der Dinge (orthos logos) durch den vernünftigen Begriff (katalêpsis) führen, so dass zum Schluß doch das rationale Element wieder zum Durchbruch gelangt. Das »Kriterium«, d. i. die Richtschnur der Wahrheit, liegt in der Zustimmung des von seiner Unfehlbarkeit überzeugten subjektiven Bewußtseins, das als phantasia katalêptikê, d. i. als Vorstellung, die ihren Gegenstand zu erfassen geeignet ist, unmittelbare Evidenz erzeugt. Die Steigerung von der vorläufigen Annahme zur unerschütterlichen Überzeugung drückte der Stifter der Schule durch ein Gleichnis aus, indem er die Wahrnehmung durch die ausgestreckten Finger, die Zustimmung durch die halb geschlossene Hand, den Begriff durch die Faust, endlich die feste Überzeugung oder das Wissen durch das Umfassen der Faust mit der anderen Hand bezeichnete.

Die Logik im engeren Sinne hat es mit dem Bezeichneten oder Ausgesprochenen (lekton) zu tun. Leistungen von besonderer Bedeutung haben die Stoiker auf diesem Gebiete nicht aufzuweisen. So erwähnen wir denn nur ihre, hauptsächlich wohl aus pädagogischen Gründen erfolgte, Vereinfachung der aristotelischen Kategorienlehre: statt 10 nahmen sie bloß 4 Kategorien an, von denen eine jede die ihr voraufgehenden in sich enthält: 1. die Substanz (to hypokeimenon, auch ti, das »Etwas«, genannt); 2. die Eigenschaft (to poion); 3. die Beschaffenheit (pôs echon), 4. das Verhältnis (pros ti pôs echon). Diesen vier Kategorien entsprechen zugleich die Entwicklungsstufen des Seienden. Das leitet uns über zu ihrer Naturlehre.


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Seite zuletzt aktualisiert: 14.11.2004 
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