§ 47. Neupythagoreer und pythagoraisierende Platoniker.


Die theologische, richtiger theosophische Epoche, welche die antike Philosophie beschließt, haben wir bereits im vorigen Abschnitt mehrfach sich ankündigen sehen. Immer entschiedener wird der Verzicht auf die menschliche Erkenntniskraft, immer stärker die Hinneigung zu dem, was allein festzustehen scheint, der Welt des sittlichen Handelns als besten Mittels zur Glückseligkeit, und auf diesem Gebiete wieder immer häufiger die Umschau nach einer höheren Macht als Halt und Stütze unseres hilfsbedürftigen Selbst. Etappen auf diesem Wege waren: Cicero - Seneka - Mark Aurel. Dazu kommt dann vielfach bis zum Ekel gesteigerter Überdruß an der Gegenwart, Sehnsucht nach einem rettenden Neuen, das man nicht

mehr von der menschlichen Vernunft, sondern von übernatürlicher Offenbarung erwartet. Kein Wunder, dass viele Gemüter in ihrer Verzweiflung schließlich zu Aberglauben oder Mystizismus greifen, dass eine Religionsmischung eintritt, wie sie vorher nie dagewesen ist, ohne dass damit dauernde innere Befriedigung erzielt wird. Inwiefern das Christentum hier welthistorisch eingriff, wird im nächsten Teile zu erörtern sein. An dieser Stelle haben wir es mit den letzten religiös-philosophischen Restaurationsversuchen auf dem Boden der antiken Weltanschauung zu tun.

Dem jetzt in erster Linie auf theologische oder damit verwandte Probleme gerichteten philosophischen Drange kamen von den alten Systemen am meisten entgegen: das pythagoreische und das platonische, das letztere freilich nur in einer bestimmten Art seiner Ausgestaltung, und beide viel weniger als Lehr - denn als Lebensformen.

 

Literatur: Vgl. H. Thiersch, Politik und Philosophie in ihrem Verhältnis zur Religion unter Trajan, Hadrian und den beiden Antoninen. Marburg 1853. Schmekel, a. a. O. S. 403-439. Über die religiösen Zustände vgl. Friedländer a. a. O. S. 507-658.


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Seite zuletzt aktualisiert: 26.10.2006 
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