2. Pythagoraisierende Platoniker des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr.


a) Der bedeutendste derselben ist Plutarch, lange Jahre Archon und Priester in seiner Vaterstadt Chäronea (um 50-125 n. Chr.), der außer seinen bekannten Biographien auch eine Reihe ethischer Schriften verfaßte. (In der Sammlung dieser sogen. Moralia finden sich übrigens viele ihm untergeschobene Abhandlungen.) Plutarchs sittliche Gesinnung ist edel, mild und vernünftig, dagegen streifen seine religiösen Vorstellungen stark ans Mystische. Äußerlich schließt er sich zwar an Plato an, faßt ihn aber wesentlich neupythagoreisch, seine Mythen dogmatisch auf und kehrt das dualistische Moment stark hervor. Die Gottheit ist hoch erhaben über die Welt (transzendent) und nur in ihren Wirkungen, als Vorsehung, uns erkennbar. In der Materie existiert eine Sehnsucht nach dem Göttlichen, aber daneben - und nicht bloß in der Seele des Menschen - ein böses Prinzip, bei dessen Erklärung auch persische und ägyptische Religionsvorstellungen herangezogen werden. Zwischen dem Göttlichen und Menschlichen vermitteln ebenfalls gute und böse Dämonen; auch übernatürliche Offenbarungen und Erleuchtungen, Weissagungen, persönliche Unsterblichkeit mit Seelenwanderung mag Plutarchs weiches Gemüt, trotz alles Eiferns gegen den Aberglauben, nicht entbehren. Zum Volksglauben stellt er sich freundlich und sucht ihn durch allegorische Auslegung zu rechtfertigen. Alle Religionen verkünden im Grunde denselben Gott.

b) Mit Plutarch verwandt sind spätere Platoniker, wie der Rhetor Maximus von Tyrus, Apulejus von Madaura (geb. um 130), der Verfasser des bekannten Romans »Der goldene Esel« mit der schönen Episode von Amor und Psyche, der Mathematiker Theo von Smyrna und andere. Nicht bloß die Heimat, sondern auch die Vorstellungen dieser Männer, insbesondere ihr Dämonenglaube, rückt sie dem Orient näher. Zu ihnen gehört auch Celsus, der Gegner des Christentums (um 180), dessen von dem Kirchenvater Origenes bekämpftes Buch Logos alêthês (»wahres Wort«) der Züricher Theologe Keim aus den Zitaten des Origenes wiederhergestellt hat (samt Übersetzung und Erläuterung dieser »ältesten Streitschrift antiker Weltanschauung gegen das Christentum«, Zürich 1873). Ferner der zu derselben Zeit lebende Syrier Numenius, der pythagoreische, platonische und orientalische Elemente miteinander verschmilzt, Plato einen »attisch sprechenden Moses« (!) nennt und eine Art göttlicher Dreieinigkeit annimmt: 1. den »ersten« Gott (Vater), 2. einen göttlichen Weltbildner (Sohn),

3. die Welt selbst (beider Abkömmling, apogonos). Anscheinend aus einem ägyptischen Zweig dieser pythagoraisierenden Platoniker oder platonisierenden Neupythagoreer sind die meisten der Schriften hervorgegangen, die unter dem Namen des »dreimalgrößten« Hermes, Hermes Trismegistos, überliefert sind und ihrem Inhalte nach bereits zu den völlig neuplatonischen gerechnet werden können. Gott ist über allem Sein und aller Vernunft, die Welt der zweite, der Mensch der dritte Gott. Philosophie fällt zusammen mit Frömmigkeit und Abkehr von der Sinnenwelt.

Unterdessen hatte sich längst auch im Morgenlande selbst eine theosophische Richtung aus verschiedenen. Elementen herangebildet, die man als die jüdisch-alexandrinische Philo- oder Theosophie bezeichnet.

 

Literatur: Vgl. R. Volkmann, Leben, Schriften und Philosophie des Plutarch. Berlin, 2. Aufl. 1872.


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