Kernstock der Jugend!


so heischt die ›Reichspost‹ und schon ist es ja erfüllt. Denn:

Eine Kunde voll freudvoller, bedeutsamer Wichtigkeit: Ottokar Kernstock ist als Dozent in die Lehrerakademie des Wiener Pädagogiums berufen worden, wo er über Poetik, Rhetorik und Stilistik lesen wird. Heute noch die Bedeutung Kernstocks als Dichter erörtern zu wollen, hieße Eulen nach Athen —

Nicht doch, gebt uns Eulen und sehet ab von der Verzehrungssteuer! Dichter haben wir genug im Krieg. Aber Eulen — nöt immer nur nach Athen, wo ohnedies die Entente aufpaßt. Wir aber müssen uns mit dem Kernstock durchfretten. Er kommt also von der Festenburg, wo er oft »schwärmerischen Jünglingen und Mädchen eine Erinnerung ins Stammbuch« geschrieben hat. Aber was denn nur für eine? Jahr um Jahr flogen von dort »seine Lieder ins Land, Lieder von kraftvoller, dabei doch sinniger und oft unbeschreiblich zarter Eigenart, Lieder —« Ja welche denn nur? Nun wird er in mündlichem Vortrag der Jugend »die Schönheiten der Dichtkunst erschließen«. Ja aber, welche denn nur? Und sie alle werden »entflammt an seiner Flamme, das Empfangene dereinst als Lehrer tausendfältig weitergeben und in die Herzen einer neuen Jugend wird versenkt werden, was dieser eine Mann auf seiner waldumrauschten, einsamen Burg in jahrzehntelanger Arbeit ergründete«. Ja aber was denn nur? Ein Mann, »der mit feuriger, begnadeter Zunge alle lebendigen Schönheiten der Gotteswelt zu preisen versteht«. No ja aber welche denn nur?

 

Gebet vor der Hunnenschlacht.

 

Bedrängt und hart geängstigt ist

Dein Volk von fremden Horden,

Durch Übermut und Hinterlist,

Mit Sengen und mit Morden.

Wir schrei'n zu dir aus tiefster Not

Der deutsche Name ist zum Spott

Der schnöden Heiden worden.

O Herr, der uns am Kreuz erlöst,

Erlös' uns von der Hunnenpest!

Kyrie eleison!

 

Gerecht, Herr, ist dein Strafgericht!

Die Schuld ist unser Eigen.

Uns schlug der Feind ins Angesicht —

Wir litten es mit Schweigen.

Wir hatten nicht des Windleins acht,

Und als der Sturmwind dran erwacht,

Ließ mancher Mann sich beugen.

O Herr, der uns am Kreuz erlöst,

Erlös' uns von der Hunnenpest!

Kyrie eleison!

 

Wir flohn den frischen Kampf; uns war

Ein fauler Frieden werter.

Wir boten Gold und Geiseln dar —

Der Drang ward immer härter ...

etc.

Es kann somit »nicht ausbleiben, dass Kernstock, geadelt durch seinen Priesterberuf, auch als Mensch die allertiefste und nachhaltigste Wirkung auf seine jungen Zuhörer ausüben wird«. Wie denn auch anders?

Mit uns sind die himmlischen Scharen all,

Sankt Michel ist unser Feldmarschall.

Ja, immerhin, »einen Augenblick lang wird ja der Pfarrherr von der Festenburg gezögert haben, seine verträumte, stille Poetenklause im steirischen Wald mit dem Lärm der Großstadt zu vertauschen. Einen Augenblick lang nur —«:

Da winkte Gott — der Rächer kam,

Das Racheschwert zu zücken

Und, was dem Schwert entrann, im Schlamm

Der Sümpfe zu ersticken.

Etsch. »Dann wird wohl die Erkenntnis in ihm gesiegt haben, welch hoher Beruf sich ihm hier erschließt, welch neue Möglichkeiten ethischer, künstlerischer, kulturfördernder Betätigung sich ihm hier bieten. Und die Stimme dieser Erkenntnis wird bald die Oberhand gewonnen haben über das verlockende Rauschen der Tannenforste um die Festenburg —«, denn:

Steirische Holzer, holzt mir gut

Mit Büchsenkolben die Serbenbrut!

Steirische Jäger, trefft mir glatt

Den russischen Zottelbären aufs Blatt!

Steirische Winzer preßt mir fein

Aus Welschlandfrüchtchen blutroten Wein!

So schön hat das die Reichspost g'schrieben übern Kernstock, ah, des müssn S' lesen!

 

 

Oktober, 1916.


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