Der Übermensch


Das Bruchstück:

Unter dem Schlagworte »Die Feldgrauen für die Feldgrauen« veranstalten Offiziere und Mannschaften der hiesigen Ersatzformationen ein ganz eigenes Theater, wobei sie das von einem Feldgrauen verfaßte Stück »Der Hias« zur Aufführung bringen. Im Rahmen einer dreiaktigen Komödie werden uns einzelne Bilder aus dem Leben vor Augen geführt, und wir lernen so ziemlich alles kennen, was der Krieg an Abenteuerlichem, Verwegenem und Überraschendem, nicht minder aber auch an herzhaft Erfrischendem und Ergreifendem mit sich bringt. Patrouillengänge, Gefangennahme, Kriegsgericht gegen »deutsche Barbarei«, französischer Chauvinismus und frohgemutes Lagerleben wie die Feier des Königsgeburtstages wechseln in bunter Reihe ab, wobei ganz besonders das kameradschaftliche Zusammenleben der Offiziere und sonstigen Vorgesetzten mit der Mannschaft und deren treues Zusammenhalten geschildert wird. Die Anhänglichkeit der Mannschaft an die Offiziere zeigt sich im schönsten Licht, — und solch ein Muster echt bayerischer Art ist der Offiziersbursche Hias ... Es ist Theater und doch keines, vielmehr im höheren Sinne wahrhaftiges Leben ... das ist nur die Wiedergabe des Erlebten, wenn auch in anderer Form, das ist aus ihren Empfindungen herausgeboren und wohl nur ein Spiegelbild ihres ureigensten Wesens, wie es sich draußen im Felde gebildet hat ... Dieser Akt ist vom Publikum beklatscht worden, wie dies noch keine Kunstleistung erfahren hat ... Und da es also nach dieser Richtung hin kein Theater im üblichen Sinne sein will, nennt der Theaterzettel keinen einzigen Namen der Mitwirkenden, ja, nicht einmal der Verfasser des Stückes tritt aus seiner bescheidenen Zurückhaltung heraus. Im dritten Akte sollte auch ein Film vorgeführt werden, aber leider hat die Polizei ihn wegen Feuersgefahr gestrichen, so dass wir darum kamen, die Auffahrt der Artillerie, Handgranatenkampf, Handgemenge und Nahkampf zu sehen. Zum Schlüsse endlich ... so manches kluge, liebe und zuversichtliche Wort ... gesunder, kräftiger, echt bajuvarischer Humor ...

Das Nachgeholte:

(Faustrecht eines Theaterdichters.) Zurzeit wird im Nürnberger Stadttheater das feldgraue Spiel: »Der Hias« von H. Gilardone aufgeführt. Der Verfasser hat sich herausgenommen, unter gröblichsten Beleidigungen und unter Androhung körperlicher Gewalt, außerdem mit Unterschiebung materieller Interessen, gegen den Referenten und den verantwortlichen Redakteur des ›Nürnberger Anzeigers‹ vorzugehen. Er verlangte unter diesen Drohungen und Beleidigungen den Widerruf der Besprechung. Der »Journalisten- und Schriftstellerverein Nürnberg und Umgebung« hat sich in seiner Sitzung vom 8. Juni 1916 mit der Angelegenheit befaßt und erklärte sich angesichts dieses unerhörten Verhaltens solidarisch mit seinen beiden angegriffenen Mitgliedern, verurteilt das Vorgehen des Herrn Gilardone aufs schärfste und billigt den beiden angegriffenen Mitgliedern den Rechtsschutz des Vereins zu.

 

 

August 1916.


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