Ein deutsches Kriegsgedicht


»[Rumänenlied.] Im ›Tag‹ dichtet ›Gottlieb‹ folgendes Rumänenlied:

 

In den klainsten Winkelescu

Fiel ein Russen-Trinkgeldescu,

Fraidig ibten wir Verratul —

Politescu schnappen Drahtul.

 

Alle Velker staunerul,

San me große Gaunerul.

Ungarn, Siebenbürginescu

Mechten wir erwürginescu.

 

Gebrüll escu voll Triumphul

Mitten im Korruptul-Sumpful

In der Hauptstadt Bukurescht,

Wo sich kainer Fiße wäscht.

 

Leider kriegen wir die Paitsche

Vun Bulgaren und vun Daitsche;

Zogen flink-flink in Dobrudschul,

Feste Tutrakan ist futschul!

 

Aigentlich sind wir, waiß Gottul,

Dann heraingefallne Trottul,

Haite noch auf stolzem Roßcu,

Murgens eins auf dem Poposcu!«

 

Hinter dem Pseudonym verbirgt sich mit Recht Herr Alfred Kerr. In seiner Prosa zu sprechen: Solche Dinge werden einmal ... in Deutschland möglich gewesen sein, ecco. Interessant ist bei all dem, dass das Vorleben eines Feindes sich von seiner schwärzesten Seite, also von den ungewaschenen Füßen, in dem Moment zeigt, in dem dessen Entscheidung, aus der Neutralität herauszutreten, zu unseren Ungunsten fällt. Aber der Übelstand, dass in der Hauptstadt Bukurescht kainer sich die Fiße wäscht — wie anders Sofia —, muß doch jahrzehntelang bekannt gewesen sein, und entweder darf auf die Bundesgenossenschaft eines solchen Volkes nicht der geringste Wert gelegt oder es muß auch in diesem Fall offen herausgesagt werden. Die Unterlassung des Füßewaschens vollzieht sich ja nicht so überraschend wie eine Kriegserklärung, sondern ist ein Zustand, zu dessen Beobachtung die Diplomaten jahrzehntelang Gelegenheit hatten. Aber die deutsche Literatur, die persönlich mit der Sitte längst vertraut ist, holt die unwiederbringlichsten Versäumnisse nach und riskiert ihrerseits nur den Verdacht ungewaschener Versfüße.

 

 

Oktober, 1916.


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