Die gut abgeschnittene Sprache


Oberleutnant Immelmann, der ruhmreiche Fliegeroffizier, dessen Tod allgemein bedauert wird, sandte dieser Tage dem Berliner Schriftsteller Mackowsky, der ein Buch über die deutschen Flieger vorbereitet, auf dessen Ersuchen einen Brief mit biographischen Daten, den die »B. Z. am Mittag« veröffentlicht: Der letzte Teil dieser im Telegrammstil abgefaßten Selbstbiographie Immelmanns lautet folgendermaßen: Tätigkeit vor dem Kriege: Schon in der Jugend starkes Interesse für Maschinen. Erste Absicht: Maschinenbauer werden. Im Kadettenkorps sehr guter Mechaniker gewesen, Sprachen weniger gut abgeschnitten. Dienst bei Eisenbahnregiment wenig befriedigend, deshalb alten Plan aufgenommen, Maschinenbau studiert ... Bei Kriegsausbruch in Eisenbahnregiment eingezogen. Unkriegerische Bautätigkeit unbefriedigend ... Am 1. August mein erster Kriegsflug auf Fokker-Eindecker; gleich einen abgeschossen ... am 11. Oktober zum erstenmal im Heeresbericht mit vier abgeschossenen Gegnern genannt ... bis Anfang Juni fünfzehn Engländer abgeschossen, von denen vierzehn auf eigenem Gebiete liegen; eine Anzahl, auf die ich allein zurückblicken kann.

Tod ist immer traurig, ob nun den trifft, der getroffen wird, oder den, der trifft. Aber Lebenslauf sollte nicht immer dazu dienen, auf dem Laufenden zu erhalten. Immelmann, der auch ein guter Deutscher war, hätte sich nicht so lapidar ausgedrückt. Schopenhauer hätte an den gut abgeschossenen feindlichen Menschen und an der gut abgeschnittenen deutschen Sprache kaum seine Freude gehabt. Der »dieser Tage« telegraphisch abgesandte, wohl aus dem Jenseits runtergeworfene Lebenslauf dürfte einem nachlebenden Berliner Schriftsteller, der immerhin tief unter einem Flieger lebt, Pinke Pinke bringen.

 

 

August, 1916.


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