Das Absolute.
Subjekt-Objekt


Indem die Philosophie trennt, kann sie die Getrennten nicht setzen, ohne sie im Absoluten zu setzen; denn sonst sind es rein Entgegengesetzte, die keinen anderen Charakter haben, als daß das eine nicht ist, insofern das andere ist. Diese Beziehung auf das Absolute ist nicht wieder ein Aufheben beider, denn somit wäre nicht getrennt, sondern sie sollen als Getrennte bleiben und diesen Charakter nicht verlieren, insofern sie im Absoluten oder das Absolute in ihnen gesetzt ist. Und zwar müssen beide im Absoluten gesetzt werden welches Recht käme dem einen vor dem anderen zu? Nicht nur das gleiche Recht, sondern die gleiche Notwendigkeit findet bei beiden statt; denn würde nur eines aufs Absolute bezogen, das andere nicht, so wäre ihr Wesen ungleich gesetzt und die Vereinigung beider, also die Aufgabe der Philosophie, die Entzweiung aufzuheben, unmöglich. Fichte hat nur eins der Entgegengesetzten ins Absolute oder es als das Absolute gesetzt; das Recht und die Notwendigkeit liegt ihm im Selbstbewußtsein, denn nur dies ist ein Sich-selbst-Setzen, ein Subjekt = Objekt, und dies Selbstbewußtsein wird nicht erst auf das Absolute als ein Höheres bezogen, sondern es ist selbst das Absolute, die absolute Identität. Sein höheres Recht, als das Absolute gesetzt zu werden, besteht eben darin, daß es sich selbst setzt, das Objekt hingegen nicht, welches allein durchs Bewußtsein gesetzt ist. Daß aber diese Stellung des Objekts nur eine zufällige ist, erhellt aus der Zufälligkeit des Subjekt-Objekts, insofern es als Selbstbewußtsein gesetzt ist; denn dies Subjekt-Objekt ist selbst ein Bedingtes. Sein Standpunkt ist darum nicht der höchste, es ist die Vernunft in einer beschränkten Form gesetzt, und nur vom Standpunkt dieser beschränkten Form aus erscheint das Objekt als ein nicht Sich­selbst-Bestimmendes, als ein absolut Bestimmtes. Es müssen daher beide in das Absolute oder das Absolute in beiden Formen gesetzt werden und zugleich beide als Getrennte bestehen; das Subjekt ist hiermit subjektives Subjekt-Objekt, — das Objekt objektives Subjekt­Objekt. Und weil nunmehr, da eine Zweiheit gesetzt ist, jedes der Entgegengesetzten ein sich selbst Entgegengesetztes ist und die Teilung ins Unendliche geht, so ist jeder Teil des Subjekts und jeder Teil des Objekts selbst im Absoluten, eine Identität des Subjekts und Objekts, -jedes Erkennen eine Wahrheit, so wie jeder Staub eine Organisation.

Nur indem das Objekt selbst ein Subjekt-Objekt ist, ist Ich = Ich das Absolute. Ich = Ich verwandelt sich nur dann nicht in: Ich soll gleich Ich sein, wenn das Objektive Ich selbst Subjekt = Objekt ist.

Indem das Subjekt sowohl als das Objekt ein Subjekt-Objekt sind, ist die Entgegensetzung des Subjekts und Objekts eine reelle Entgegensetzung; denn beide sind im Absoluten gesetzt und haben dadurch Realität. Die Realität Entgegengesetzter und reelle Entgegensetzung findet allein durch die Identität beider statt.46) Ist Objekt ein absolutes Objekt, so ist es ein bloß Ideelles sowie die Entgegensetzung eine bloß ideelle. Dadurch, daß das Objekt nur ein ideales und nicht im Absoluten ist, wird auch das Subjekt ein bloß ideelles, und solche ideale Faktoren sind Ich als Sich-selbst-Setzen und Nicht-Ich als sich Entgegensetzen. Es hilft nichts, daß Ich lauter Leben und Agilität, das Tun und Handeln selbst ist, das Allerrealste, Unmittelbarste im Bewußtsein eines jeden; sowie es dem Objekt absolut entgegengesetzt wird, ist es kein Reales, sondern ein nur Gedachtes, ein reines Produkt der Reflexion, eine bloße Form des Erkennens. Und aus bloßen Reflexionsprodukten kann sich die Identität nicht als Totalität konstruieren, denn sie entstehen durch Abstraktion von der absoluten Identität, die sich gegen sie unmittelbar nur vernichtend, nicht konstruierend verhalten kann. Eben solche Reflexionsprodukte sind Unendlichkeit und Endlichkeit, Unbestimmtheit und Bestimmtheit usw. Vom Unendlichen gibt es keinen Übergang zum Endlichen, vom Unbestimmten keinen Übergang zum Bestimmten. Der Übergang, als die Synthese, wird eine Antinomie; eine Synthese des Endlichen und Unendlichen, des Bestimmten und Unbestimmten aber kann die Reflexion, das absolute Trennen, nicht zustande kommen lassen, und sie ist es, die hier das Gesetz gibt; sie hat das Recht, nur eine formale Einheit geltend zu machen, weil die Entzweiung in Unendliches und Endliches, welche ihr Werk ist, verstattet und aufgenommen wurde; die Vernunft aber synthesiert sie in der Antinomie und vernichtet sie dadurch. Wenn eine ideelle Entgegensetzung Werk der Reflexion ist, die von der absoluten Identität ganz abstrahiert, so ist dagegen eine reelle Entgegensetzung Werk der Vernunft, welche die Entgegengesetzten nicht bloß in der Form des Erkennens, sondern auch in der Form des Seins, Identität und Nichtidentität identisch setzt. Und eine solche reelle Entgegensetzung allein ist die, in welcher Subjekt und Objekt beide als Subjekt-Objekt gesetzt werden, beide im Absoluten bestehend, in beiden das Absolute, also in beiden Realität. Deswegen ist auch nur in der reellen Entgegensetzung das Prinzip der Identität ein reelles Prinzip; ist die Entgegensetzung ideell und absolut, so bleibt die Identität ein bloß formales Prinzip, sie ist nur in einer der entgegengesetzten Formen gesetzt und kann sich nicht als Subjekt-Objekt geltend machen. Die Philosophie, deren Prinzip ein formales ist, wird selbst eine formelle Philosophie, wie denn Fichte auch irgendwo sagt47), daß fürs Selbstbewußtsein Gottes — ein Bewußtsein, in welchem durch das Gesetztsein des Ich alles gesetzt wäre — sein System nur formale Richtigkeit hätte. Wenn hingegen die Materie, das Objekt, selbst ein Subjekt-Objekt ist, so kann die Trennung der Form und Materie wegfallen, und das System sowie sein Prinzip ist nicht mehr ein bloß formales, sondern formales und materiales zugleich; es ist durch die absolute Vernunft alles gesetzt. Nur in realer Entgegensetzung kann das Absolute sich in der Form des Subjekts oder Objekts setzen, das Subjekt in Objekt oder Objekt in Subjekt dem Wesen nach übergehen, — das Subjekt sich selbst objektiv werden, weil es ursprünglich objektiv oder weil das Objekt selbst Subjekt-Objekt ist, oder das Objekt subjektiv werden, weil es nur ursprünglich Subjekt-Objekt ist. Hierin besteht allein die wahre Identität, daß beide ein Subjekt-Objekt sind, und zugleich die wahre Entgegensetzung, deren sie fähig sind. Sind nicht beide Subjekt­Objekt, so ist die Entgegensetzung ideell und das Prinzip der Identität formal. Bei einer formalen Identität und einer ideellen Entgegensetzung ist keine andere als unvollständige Synthese möglich, d. h. die Identität, insofern sie die Entgegengesetzten synthesiert, ist selbst nur ein Quantum, und die Differenz ist qualitativ, nach Art der Kategorien, bei welchen die erste z. B. Realität in der dritten, wie die zweite, nur quantitativ gesetzt ist. Umgekehrt aber, wenn die Entgegensetzung reell ist, ist sie nur quantitativ; das Prinzip ist ideell und reell zugleich, es ist die einzige Qualität, und das Absolute, das sich aus der quantitativen Differenz rekonstruiert, ist kein Quantum, sondern Totalität.

 

_________________

46) *Platon drückt die reelle Entgegensetzung durch die absolute Identität so aus: "Das wahrhaft schöne Band ist das, welches sich selbst und die Verbundenen eins macht. Denn wenn von irgend drei Zahlen oder Massen oder Kräften das Mittlere, was das Erste für dasselbe ist, eben das für das Letzte ist, und umgekehrt, was das Letzte für das Mittlere ist, das Mittlere eben dies für das Erste ist, - und dann das Mittlere zum Ersten und Letzten geworden, das Erste und Letzte aber umgekehrt, beide zum Mittleren geworden sind, so werden sie notwendig alle dasselbe sein; die aber dasselbe gegeneinander sind, sind alle eins." [Timaios, Steph. 31-32]

47) vgl. Fichte, Wissenschaftslehre, SW, Bd. 1, S. 253


 © textlog.de 2004 • 13.10.2024 11:44:11 •
Seite zuletzt aktualisiert: 11.11.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright