Transzendentale Anschauung


Das absolute Prinzip, der einzige Realgrund und feste Standpunkt der Philosophie ist sowohl in Fichtes als in Schellings Philosophie die intellektuelle Anschauung, — für die Reflexion ausgedrückt: Identität des Subjekts und Objekts. Sie wird in der Wissenschaft Gegenstand der Reflexion; und darum ist die philosophische Reflexion selbst transzendentale Anschauung, sie macht sich selbst zum Objekt und ist eins mit ihm; hierdurch ist sie Spekulation. Fichtes Philosophie ist deswegen echtes Produkt der Spekulation. Die philosophische Reflexion ist bedingt, oder die transzendentale Anschauung kommt ins Bewußtsein durch freie Abstraktion von aller Mannigfaltigkeit des empirischen Bewußtseins, und insofern ist sie ein Subjektives. Macht die philosophische Reflexion sich insofern selbst zum Gegenstand, so macht sie ein Bedingtes zum Prinzip ihrer Philosophie; um die transzendentale Anschauung rein zu fassen, muß sie noch von diesem Subjektiven abstrahieren, daß sie ihr als Grundlage der Philosophie weder subjektiv noch objektiv sei, weder Selbstbewußtsein, der Materie entgegengesetzt, noch Materie, entgegengesetzt dem Selbstbewußtsein, sondern absolute, weder subjektive, noch objektive Identität, reine transzendentale Anschauung. Als Gegenstand der Reflexion wird sie Subjekt und Objekt; diese Produkte der reinen Reflexion setzt die philosophische Reflexion in ihrer bleibenden Entgegensetzung ins Absolute. Die Entgegensetzung der spekulativen Reflexion ist nicht mehr ein Objekt und ein Subjekt, sondern eine subjektive transzendentale Anschauung und eine objektive transzendentale Anschauung, jene Ich, diese Natur — beides die höchsten Erscheinungen der absoluten sich selbst anschauenden Vernunft. Daß diese beiden Entgegengesetzten — sie heißen nun Ich und Natur, reines und empirisches Selbstbewußtsein, Erkennen und Sein, Sich-selbst-Setzen und Entgegensetzen, Endlichkeit und Unendlichkeit — zugleich in dem Absoluten gesetzt werden, in dieser Antinomie erblickt die gemeine Reflexion nichts als den Widerspruch, nur die Vernunft in diesem absoluten Widerspruche die Wahrheit, durch welchen beides gesetzt und beides vernichtet ist, weder beide, und beide zugleich sind.


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Seite zuletzt aktualisiert: 10.11.2006 
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