22. Ackerbau und Viehzucht
Der Ackerbau steht in höchstem Ansehen; jede Handbreit Landes wird nutzbringend gemacht. Winde und Gestirne werden sorgfältig beobachtet, dann, nachdem nur Wenige in der Stadt zu ihrer Bewachung zurückgelassen werden, ziehen alle Übrigen zur Feldarbeit hinaus, fast in voller Waffenrüstung, Trompeten, Trommler und Fahnenträger voran, um zu pflügen, zu hacken, zu säen, zu ernten und die Obst- und Weinlese zu halten. In wenigen Stunden ist alles getan, da die Arbeit in rationeller, zeitersparender Weise gefördert wird.
Sie haben eine Art Wagen erfunden, über denen Segel ausgespannt sind, deren sie sich bedienen, selbst gegen den Wind zu fahren, vermittels eines wunderbaren Rädermechanismus. Ist vollkommene Windstille, so zieht ein einziges Lasttier den größten Wagen — ein wunderbarer Anblick!
Bewaffnete Grund- und Bodenwächter begehen inzwischen die ganze Flur und werden turnusweise von neuen Trupps abgelöst.
Dünger gebrauchen sie nicht, auch nicht Kot zur Düngung, da sie der Meinung sind, dass Beides den Sämereien sehr schädlich sei, indem die Lebensfähigkeit der Frucht dadurch verkürzt werde. Sie vergleichen in dieser Beziehung die Erde mit einem Weibe, das sich schön macht, indem es Schminke auflegt, nicht, indem es schönheitsfördernde Leibesübungen vornimmt, und das, da ihr Körper kraftlos ist, einer schwächlich dahinsiechenden Nachkommenschaft das Leben gibt. Daher auch die Erde nicht bloß oberflächlich zu schminken, sondern tüchtig zu bearbeiten und gut zu befruchten sei, was sie mit großer Kunstfertigkeit zuwege bringen, denn sie haben geheime Mittel, die Keimkraft des Samens zu beschleunigen, zu vervielfachen und andererseits zu verhindern, dass sie je einmal absterbe. Sie haben zu diesem Behufe ein Buch, das sie Georgika nennen.
Man bearbeitet nur ein so großes Stück Land, als ihren Bedürfnissen genügt, das übrige dient zu Viehweiden.
Die kostbare Kunst, Pferde, Ochsen, Schafe, Hunde und alle Arten Haustiere und gezähmten Viehs zu produzieren und aufzuziehen, steht bei ihnen so hoch, wie zu den Zeiten Abrahams.
Die Tiere werden in einer Weise gepaart, dass die beste Rasse erzielt wird. Es werden die schönsten Exemplare von gemalten Pferden, Ochsen, Schafen etc. aufgestellt, die sehen die zur Zucht bestimmten Tiere an. Die Hengste weiden nicht mit den Stuten zusammen; man läßt sie nur, im günstig erscheinenden Zeitpunkte, in den Höfen der ländlichen Ställe zusammen. Um diesen zu erfahren, wird der Schütze zu Rate gezogen, wenn er unter dem günstigen Einflusse des Mars und Jupiter steht. Für die Ochsen wird das Sternbild des Stiers, für die Schafe der »Widder« in Betracht gezogen, ganz nach den Regeln der Kunst. Die Familie der Haustiere steht unter dem Schutze der Plejaden, ebenso wie die Enten und Gänse, die die Frauen gern auf die benachbarten Weiden außerhalb der Stadt führen, wo für diese Tiere Unterkunftsräume angebracht sind, worin die Frauen sich mit der Bereitung der Butter, des Käses u.s.w. beschäftigen. Sie halten auch eine große Menge von Kapaunen. Von allen diesen Dingen handelt ein Buch Namens Bukolika.
In der Sonnenstadt ist alles im Überfluss vorhanden, denn Jeder will sich in seiner Arbeit, die leicht und kurz ist, auszeichnen und es dem andern zuvor tun; Jeder ist auch sehr gelehrig und folgt gern demjenigen, der ihm in einer Verrichtung an Wissen und Können überlegen ist; und einen solchen nennen diejenigen, die nicht so viel leisten können, wie er, »König«, denn dieser Titel, behaupten sie, gebührt nur dem Kundigen und Wissenden und nicht dem Unwissenden.
Es ist ein wunderbares Ding, zu sehen, mit welcher Ordnung Männer und Frauen, in Trupps eingeteilt, an die Arbeit gehen, ohne je die Gebote ihres »Königs« zu übertreten und ohne sich je ermüdet zu zeigen, wie wir es tun würden. Sie betrachten ihre Vorgesetzten wie Väter oder ältere Bruder.
Im Lande der Solarier sind Gehölze und Wälder genug vorhanden, in denen sie der Jagd auf wilde Tiere obliegen können.