15. Gattenwahl durch den Staat
Wir halten es, um unsere Nachkommenschaft kennen zu lernen und zu erziehen, für notwendig, eine individuelle Gattin, eine aparte Wohnung und eigene Kinder zu haben: das leugnen sie aber, indem die Zeugung nach dem Ausspruche des heiligen Thomas zur Fortpflanzung des Geschlechtes und nicht des Individuums da sei; daher gehe der Nachwuchs das Staatswesen und nicht das Individuum, die Privatperson an, außer insofern diese Glied des Staatswesens sei. Und wenn die Zeugungs- und Erziehungsverhältnisse der Privatleute schlecht sind und der Nachwuchs zum Verderb des Staates heranwächst, so ist die erste Sorge und hochheilige Pflicht des Staates, diese Interessen der Obrigkeit zu übertragen. Die Gesamtheit, nicht die Einzelheit, hat dafür einzutreten. Darum werden Vater und Mutter nach philosophischen Grundsätzen zusammengetan.
Plato ist der Ansicht, diese Paarung müsse durchs Los geschehen, damit nicht diejenigen, denen die schönen Frauen vorenthalten werden, zornentbrannt sich gegen die Obrigkeit erhöben. Er meinte auch, dass bei der Losziehung von der Obrigkeit List zu gebrauchen sei, damit nicht diejenigen die schönen Frauen erhalten, welche nach ihnen verlangen, sondern jene, welche sie am besten verdienen und denen sie aus anderen Gründen zukommen.
Aber diese List ist bei den Solariern nicht notwendig, so dass häßlichen Männern häßliche Frauen zufallen müßten, denn Häßlichkeit gibt es bei ihnen nicht. Infolge ihrer körperlichen Übungen haben sie nämlich lebhafte Farben, kräftig entwickelten, großen, geschmeidigen Gliederbau, hohen Wuchs und in der Lebhaftigkeit und Strammheit besteht bei ihnen die Schönheit, und mit Todesstrafe würden diejenigen bestraft werden, die sich schminkten und schöne hohe Sandalen tragen, um größer zu erscheinen, oder Schleppkleider, um unförmliche Füße zu verbergen. Aber wenn sie es selbst tun wollten, es fehlt ihnen die Möglichkeit dazu, dass wir ihnen derlei Hilfsmittel reichen können. Solche Mißbräuche, sagen sie, entstehen bei uns aus dem Müssiggang und der Trägheit der Frauen, die sie entkräften, bleich machen und ihre Gestalt zusammenschrumpfen lassen. Darum bedürfen sie aufgesetzter Farbe und hoher Sandalen, sie erscheinen nicht durch robusten Gliederbau, sondern umgekehrt durch schlaffe Zartheit schön und zerstören sie und ihr ganzes Naturell und das ihrer Kinder.
Wenn einer von einer sehr heftigen Liebe zu einem Weibe ergriffen wird, so ist ihnen mit einander zu plaudern und zu scherzen erlaubt, sich gegenseitig mit Laub- und Blumenkränzen zu beschenken und sich gegenseitig anzudichten. Wenn aber eine nicht vorteilhafte Generation von ihnen zu befürchten ist, wird ihnen die geschlechtliche Vereinigung unter keinen Umständen gestattet, wenn die Frau nicht schon schwanger ist (was dann der Wunsch des Mannes ist) oder unfruchtbar. Im Übrigen kennen sie in der Liebe nur freundschaftliche Gefühle, von der sinnlichen Begierde werden sie kaum jemals aufgestachelt.