14. Kinderpflege und -erziehung


Die schwanger Gewordenen enthalten sich während vierzehn Tagen alles Gehens, dann nehmen sie nach und nach leichte Leibesübungen vor, um auf die Leibesfrucht heilsam einzuwirken und ihr die Nahrungswege zu öffnen, nach und nach nehmen sie immer mehr leichte Leibesbewegungen vor und kräftigen sich dadurch. Sie essen nur dasjenige, was ihnen nach Vorschrift ihrer Ärzte am zuträglichsten ist. Nachdem sie geboren haben, stillen sie die Kinder selbst und erziehen sie in gemeinschaftlichen, für diesen Zweck bestimmten Gebäuden; sie säugen zwei Jahre und darüber, wenn der Arzt es erheischt.

Das entwöhnte Kind wird sodann, wenn es weiblichen Geschlechtes ist, den vom Magistrate bestellten Wärterinnen, wenn es ein männliches ist, den betreffenden Wärtern übergeben. Dann lehrt man sie wie im Scherze mit andern Kindern das Alphabet und unterweist sie in den Mauergemälden, läßt sie spazieren gehen, wettlaufen, ringen, unterrichtet sie in der Sprache und in den Geschichten, die auf den Wänden abgebildet sind.

Nach dem sechsten Jahre werden sie in die Naturwissenschaften eingeweiht und alsbald zu den Dingen, zu denen sie nach dem Urteil der obrigkeitlichen Personen besonderes Talent zu haben scheinen. Dann werden sie in die Handwerke eingeführt. Die minderbegabten Kinder werden aufs Land getan und wenn sie später an günstigen Fähigkeiten zugenommen haben, dürfen sie in die Stadt zurückkehren.

Fast alle, die unter demselben Gestirnstande geboren sind, sind ungefähr mit denselben Anlogen geboren, dasselbe ist der Fall mit ihrem moralischen Charakter und ihren körperlichen Eigenschaften. Daraus folgt ein einmütiges Zusammenwirken im Staate, da solche Altersgenossen sich gegenseitig gern unter die Arme greifen.

Ihre Namen werden ihnen nicht zufällig und willkürlich beigelegt, sondern vom Metaphysikus nach ihren erkennbaren Eigenheiten, wie es bei den alten Römern Gebrauch war, daher heißt der eine Pulcher (der schöne), ein anderer Naso (Großnase), wieder ein anderer Crassipes (Dickfuß), Jener Macer (der Magere), noch ein anderer Torvus (der trotzig Blickende). Wenn sie sich in ihrem Berufe auszeichnen oder durch Großtaten im Kriege oder im Frieden hervortun, so erhalten sie von ihrer Kunst oder ihrem Handwerke einen Beinamen wie Pictor (Maler), Magnus (der Große) Aureus (der Goldene), Excellens (der Ausgezeichnete), Strenuns (der Tapfere) oder kombinirt: Naso der Tapfere, der Schlaue, der Siegreiche, der Großmächtige. Oder nach dem besiegten Feinde: der Afrikaner, der Asiate, der Etrusker, oder wenn einer einen Manfredus, einen Tortelius besiegt hat, wird er z.B. Macer Manfredus, Tortelius u.s.w. genannt. Diese Beinamen werden von den obersten Magistratspersonen verliehen und sind meist mit einer Bürgerkrone verbunden, die unter lauter Beifallsspendung und Musik gewährt wird. Denn Gold und Silber wird bei ihnen nicht hochgeachtet, und wird zu Gefäßen und gewöhnlichen, allen gemeinsamen Schmuckgegenständen verarbeitet.

DER GROSSMEISTER. Bitte, sage, ob keine Eifersucht unter ihnen ist, und ob es denjenigen nicht wurmt, der nicht zu einem obrigkeitlichen Posten erwählt worden ist oder zu einem anderen Amte, das er anstrebt.

DER GENUESE. Nicht im mindesten, denn keinem fehlt, was er notwendig braucht, aber auch die feineren Genüsse nicht. alles, was die Nachkommenschaft angeht, wird gewissenhaft mit Rücksicht auf das allgemeine öffentliche Beste geregelt, nicht mit Rücksicht auf den Nutzen der Einzelnen. Der Obrigkeit muss unbedingt gehorcht werden.


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