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Moralisches Gefühl

Moralisches Gefühl. „Die Vernunft fühlt nicht; sie sieht ihren Mangel ein und wirkt durch den Erkenntnistrieb das Gefühl des Bedürfnisses. Es ist hiermit wie mit dem moralischen Gefühl bewandt, welches kein moralisches Gesetz verursacht — denn dieses entspringt gänzlich aus der Vernunft —, sondern durch moralische Gesetze, mithin durch die Vernunft verursacht oder gewirkt wird, indem der rege und doch freie Wille bestimmter Gründe bedarf“, Was heißt: s. i. D. or.? 4. Anm. (V 2, 155). „Um das zu wollen, wozu die Vernunft allein dem sinnlich affizierten vernünftigen Wesen das Sollen vorschreibt, dazu gehört freilich ein Vermögen der Vernunft, ein Gefühl der Lust oder des Wohlgefallens an der Erfüllung der Pflicht einzuflößen, mithin eine Kausalität derselben, die Sinnlichkeit ihren Prinzipien gemäß zu bestimmen. Es ist aber gänzlich unmöglich, einzusehen, d. i. a priori begreiflich zu machen, wie ein bloßer Gedanke, der selbst nichts Sinnliches in sich enthält, eine Empfindung der Lust oder Unlust hervorbringe.“ Hier soll „reine Vernunft durch bloße Ideen (die gar keinen Gegenstand für Erfahrung abgeben) die Ursache von einer Wirkung, die freilich in der Erfahrung liegt“, sein, was nicht erklärbar ist, GMS 3. Abs. V. d. äußersten Grenze... (III 91); vgl. Imperativ. „Allerdings muß der Wille Motive haben; aber diese sind nicht gewisse vorgesetzte, aufs physische Gefühl bezogene Objekte als Zwecke, sondern nichts als das unbedingte Gesetz selbst, für welches die Empfänglichkeit des Willens, sich unter ihm als unbedingter Nötigung zu befinden, das moralische Gefühl heißt; welches also nicht Ursache, sondern Wirkung der Willensbestimmung ist, von welchem wir nicht die mindeste Wahrnehmung in uns haben würden, wenn jene Nötigung in uns nicht vorherginge“, Theor. Prax. I (VI 79). Das moralische Gefühl ist „die Empfänglichkeit für Lust oder Unlust“ bloß aus dem Bewußtsein der Übereinstimmung oder des Widerstreits „unserer Handlung mit dem Pflichtgesetze“. „Alle Bestimmung der Willi kür aber geht von der Vorstellung der möglichen Handlung durch das Gefühl der Lust oder Unlust, an ihr oder ihrer Wirkung ein Interesse zu nehmen, zur Tat; wo der ästhetische Zustand (der Affizierung des inneren Sinnes) nun entweder ein pathologisches oder moralisches Gefühl ist. — Das erstere ist dasjenige Gefühl, welches vor der Vorstellung des Gesetzes vorhergeht, das letztere das, was nur auf diese folgen kann.“ Es kann keine Pflicht geben; ein moralisches Gefühl zu haben oder zu erwerben, aber wohl, es zu kultivieren und es durch die Bewunderung seines unerforschlichen Ursprungs zu verstärken. Es ist kein moralischer „Sinn“. Ohne moralisches Gefühl ist kein Mensch, sonst wäre er „sittlich tot“, ein bloßes Tier, MST Einl. XIIa (III 241 f.); vgl. Achtung.

Gefühle können, wegen ihrer Verschiedenheit, nicht einen Maßstab des Guten und Bösen abgeben; man kann durch sein Gefühl nicht für andere gültig urteilen. Das Prinzip des moralischen Gefühls (als Sittlichkeitsgrundlage) ist ein Prinzip der Glückseligkeit (s. d.), „weil ein jedes empirische Interesse durch die Annehmlichkeit, die etwas nur gewährt, es mag nun unmittelbar und ohne Absicht auf Vorteile oder in Rücksicht auf dieselben geschehen, einen Beitrag zum Wohlbefinden verspricht“, GMS 2. Abs. Einteilung... Anm. (III 70). Wir nennen die Grundlage des Interesses (s. d.) an moralischen Gesetzen das moralische Gefühl, welches „fälschlich für das Richtmaß unserer sittlichen Beurteilung von einigen ausgegeben worden, da es vielmehr als die subjektive Wirkung, die das Gesetz auf den Willen ausübt, angesehen werden muß, wozu Vernunft allein die objektiven Gründe hergibt“, ibid. 3. Abs. V. d. äußersten Grenze. . . (III 91). Ein sog. moralischer Sinn wäre ein solcher, „nach welchem das Bewußtsein der Tugend unmittelbar mit Zufriedenheit und Vergnügen, das des Lasters aber mit Seelenruhe und Schmerz verbunden wäre“; und so wird doch alles auf Verlangen nach eigener Glückseligkeit gestellt. Auch setzt ein solches Gefühl schon die Erkenntnis der Verbindlichkeit voraus. Es kann aber die „öftere Ausübung“ der Bestimmung des Willens durch das moralische Gesetz „subjektiv zuletzt ein Gefühl der Zufriedenheit mit sich selbst wirken“, welche das eigentliche „moralische Gefühl“ ist, das zu kultivieren auch Pflicht ist, KpV 1. T. 1. B. 1. H. § 8 (II 50 f.). Das moralische Gefühl ist das Gefühl der Achtung (s. d.) oder die Fähigkeit, ein moralisches Interesse (s. d.) am Gesetze zu nehmen, ibid. 3. H. (II 104).