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Verwandlung der Pflichten

339.

Verwandlung der Pflichten. — Wenn die Pflicht aufhört, schwer zu fallen, wenn sie sich nach langer Übung zur lustvollen Neigung und zum Bedürfnis umwandelt, dann werden die Rechte Anderer, auf welche sich unsere Pflichten, jetzt unsere Neigungen beziehen, etwas Anderes: nämlich Anlässe zu angenehmen Empfindungen für uns. Der Andere wird vermöge seiner Rechte von da an liebenswürdig (anstatt ehrwürdig und furchtbar, wie vordem). Wir suchen unsere Lust, wenn wir jetzt den Bereich seiner Macht anerkennen und unterhalten. Als die Quietisten keine Last mehr an ihrem Christentume hatten und in Gott nur ihre Lust fanden, nahmen sie ihren Wahlspruch „Alles zur Ehre Gottes!“ an: was sie auch immer in diesem Sinne taten, es war kein Opfer mehr; es hiess so viel als „Alles zu unserm Vergnügen!“ Zu verlangen, dass die Pflicht immer etwas lästig falle — wie es Kant tut — heißt verlangen, dass sie niemals Gewohnheit und Sitte werde: in diesem Verlangen steckt ein kleiner Rest von asketischer Grausamkeit.