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Anscheinende Toleranz

270.

Anscheinende Toleranz. — Es sind dies gute, wohlwollende, verständige Worte über und für die Wissenschaft, aber! aber! ich sehe hinter diese eure Toleranz gegen die Wissenschaft! Im Winkel eures Herzens meint ihr trotz alledem, sie sei euch nicht nötig, es sei großmütig von euch, sie gelten zu lassen, ja, ihre Fürsprecher zu sein, zumal die Wissenschaft gegen eure Meinungen nicht diese Großmut übe! Wisst ihr, dass ihr gar kein Recht zu dieser Toleranz-Übung habt? dass diese huldreiche Gebärde eine gröbere Verunglimpfung der Wissenschaft ist, als ein offener Hohn, welchen sich irgend ein übermütiger Priester oder Künstler gegen sie erlaubt? Es fehlt euch jenes strenge Gewissen für Das, was wahr und wirklich ist, es quält und martert euch nicht, die Wissenschaft im Widerspruch mit euren Empfindungen zu finden, ihr kennt die gierige Sehnsucht der Erkenntnis nicht als ein Gesetz über euch waltend, ihr fühlt keine Pflicht in dem Verlangen, mit dem Auge überall gegenwärtig zu sein, wo erkannt wird, Nichts sich entschlüpfen zu lassen, was erkannt ist. Ihr kennt Das nicht, was ihr so tolerant behandelt! Und nur, weil ihr es nicht kennt, gelingt es euch, so gnädige Mienen anzunehmen! Ihr, gerade ihr würdet erbittert und fanatisch blicken, wenn die Wissenschaft euch einmal in’s Gesicht leuchten wollte, mit ihren Augen — Was kümmert es uns also, dass ihr Toleranz übt — gegen ein Phantom! und nicht einmal gegen uns! Und was liegt an uns!