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Der Betrug bei der Demütigung

219.

Der Betrug bei der Demütigung. — Du hast deinem Nächsten mit deiner Unvernunft ein tiefes Leid zugefügt und ein unwiederbringliches Glück zerstört — und nun gewinnst du es über deine Eitelkeit, zu ihm zu gehen, du demütigst dich vor ihm, giebst deine Unvernunft vor ihm der Verachtung preis und meinst, nach dieser harten, für dich äußerst beschwerlichen Szene sei im Grunde alles wieder in Ordnung gebracht, — deine freiwillige Einbuße an Ehre gleiche die unfreiwillige Einbusse des Andern an Glück aus: mit diesem Gefühle gehst du erhoben und in deiner Tugend wiederhergestellt davon. Aber der Andere hat sein tiefes Leid wie vorher, es liegt ihm gar nichts Tröstliches darin, dass du unvernünftig bist und es gesagt hast, er erinnert sich sogar des peinlichen Anblicks, den du ihm gegeben hast, als du dich vor ihm selbst verachtetest, wie einer neuen Wunde, welche er dir verdankt, — aber er denkt nicht an Rache und begreift nicht, wie zwischen dir und ihm Etwas ausgeglichen werden könnte. Im Grunde hast du jene Szene vor dir selber aufgeführt und für dich selber: du hattest einen Zeugen dazu eingeladen, deinetwegen wiederum und nicht seinetwegen, — betrüge dich nicht!