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Das gefürchtete Auge

223.

Das gefürchtete Auge. — Nichts wird von Künstlern, Dichtern und Schriftstellern mehr gefürchtet, als jenes Auge, welches ihren kleinen Betrug sieht, welches nachträglich wahrnimmt, wie oft sie an dem Gränzwege gestanden haben, wo es entweder zur unschuldigen Lust an sich selber oder zum Effekt-machen abführte; welches ihnen nachrechnet, wenn sie Wenig für Viel verkaufen wollten, wenn sie zu erheben und zu schmücken suchten, ohne selber erhoben zu sein; welches den Gedanken durch allen Trug ihrer Kunst hindurch so sieht, wie er zuerst vor ihnen stand, vielleicht wie eine entzückende Lichtgestalt, vielleicht aber auch als ein Diebstahl an aller Welt, als ein Alltags-Gedanke, den sie dehnen, kürzen, färben, einwickeln, würzen mussten, um Etwas aus ihm zu machen, anstatt dass der Gedanke Etwas aus ihnen machte, — oh dieses Auge, welches alle eure Unruhe, euer Spähen und Gieren, euer Nachmachen und überbieten (dies ist nur ein neidisches Nachmachen) eurem Werke anmerkt, welches eure Schamröte so gut kennt, wie eure Kunst, diese Röte zu verbergen und vor euch selber umzudeuten!